The CBd
Michel, BM on CBd-488
S. Michel, Die Magischen Gemmen im Britischen Museum, 2001, 58-59, no. 88.

Dunkelgrüner Jaspis, poliert, in den Vertiefungen matt. Hochoval, beiderseits Hach, Rand nach hinten abgeschrägt, Kante nach vorn. Keine Beschädigung. Ringstein.

1,6 x 1,2 x 0,2
2/3. Jh.n.Chr.
Von G. Eastwood, Esq. (1864), vorher Sammlung Praun und Mertens.
Brit. Mus. Inv. G 116, EA 56116.

Vs.: Vor einer Säule eine weibliche Figur im Profil nach links. Die Figur ist mit einem langen Gewand bekleidet, das urn die Hüftgegend bauschig fällt (Kolpos), Stoffalten sind nur grob angedeutet. Die Arme der Frau sind hinter dem Rücken gefesselt, der Kopf nur sehr flüchtig mit angedeutetem Profil gearbeitet. Hinter der Figur eine mannshohe Säule mit Basis und abschließender Plattform, auf der eine Greifin hockt. Die Vorderbeine des Fabelwesens sind beinahe waagerecht über ein vierspeichiges kleines Rad gestreckt. Der Kopf ist nur flüchtig mit weft aufgerissenem Maul und Zunge oder Zähnen, spitzen Ohren und kleiner Mähne angegeben, auf dem Rücken ein geöffneter Flügel.

Rs.: Eire undefinierbarer, länglicher Gegenstand, vielleicht eine Frau in langem Gewand? Im freien Feld Inschrift in zwei Reihen, rechts unten beginnend und mit spiegelschriftlichen Buchstaben umlaufend:
OWCANΔPANEIKANΔP
unter dem Gegenstand/Figur:
AK
In einer zweiten Reihe, links von oben nach unten geschrieben:
ANΔPA
Rechts von unten nach oben geschrieben:
KAΛZ(I?)

Seinen Notizen zufolge ordnet und liest M. Smith die Buchstaben zu ANΔP(A) KAΛIΠOWCAN APA(N) NEIKAN APAN, King versteht die Inschrift dagegen als „Nicandra Sosandra - „catch husband, keep husband”. Die beiden Frauennamen Σώσανδρα (die Männerschützende) und Νείκανδρα/Νικάνδρη (die Männerbesiegende) sind für Priesterinnen belegt. Die gleichklingenden Silben könnten neben ἀνήρ („Mann, Gemahl”) auch die griechischen Wörter νεικέω („schmähen, kränken”) bzw. νεῖκος („Streit, Scheltwort”) enthalten.

Dieses Amulett aus dem Bereich des Liebeszaubers bezieht sich auf die Thematik „Eros quält Psyche”. Auf den Gemmen variiert das Motiv: meist ist nicht, wie hier, Psyche, sondern Eros gefesselt vor der Säule mit der Greifin der Nemesis gezeigt. Auch wird das Bild auf Vergleichsbeispielen haufig von der Inschrift Dikaiôs, „mit Recht” begleitet. Bonner vermutet hinsichtlich der Verwendung dieser Steine, daB die Szene im Sinne von „da Eros die Seele gequält hat, ist es nur gerecht, daß auch er jetzt leidet” gedeutet werden kann. Gemmen, die Psyche als die Gequälte zeigen, seien dagegen als eine Art Erinnerung an durchlebte Qualen zu verstehen. Delatte-Derchain weisen eher auf den Racheaspekt einer nicht erwiderten Liebe hin (Greifin der Nemesis), und nach Schwartz könnte es sich bei solchen Ringen um ein Geschenk handeln, das dem oder der Begehrten überreicht wurde, urn sich demjenigen zu offenbaren. Eros wird wohl „gedroht”, daß er - falls er Qualen verursache - ebenso Leiden müsse, wobei die auf den Steinen mitunter folternd dargestellte Psyche die rächende Seele des Amulett-Trägers repräsentiert. Die weibliche Figur vor der Säule könnte dagegen als Personifikation des Wunsches nach Gegenliebe, d.h. aller imaginären Angebeteten, stehen, die so „beschworen” werden sollten, den Amulett-Träger - gerechterweise mit gleicher Intensität und denselben Sehnsüchten - zurückzulieben. Die Greifin impliziert eine Art Hoffnung und Vertrauen: Nemesis wird schon dafür sorgen, daß sich alles die Waage halten und der gerechte Ausgleich hergestellt bzw. Liebesqualen gerächt warden. Im Pariser Papyrus soil unter dem Namen „Schwert des Dardanos” zum Zwecke eines Bindezaubers (Philtronkatadesmos) ein Magnetit-Amulett hergestellt werden, dessen Gravur ebenfalls die Thematik Eros quält Psyche zum Gegenstand hat (BETZ/PREISENDANZ, PGM IV 1716ff.).

Grob mit flüchtigen Kerben geschnitten, Details fehlen, Figuren und Bewegungen sind nur zu erahnen, auch sind die Buchstaben der Inschrift unleserlich geschnitten.

Publ.: KING, GEMS AND RINGS 47 Taf. 9, 1; KING, ANTIQUE GEMS 340 (Abb.); KING, GNOSTICS (1864) 70 Abb. 13.

Lit.: Zu Motiv und Thema: A.D. NOCK, Magical Notes, JEA 11, 1925, 154ff.; MOUTERDE (1930) 53ff.; BONNER 120f; R. MERKELBACH, Eros und Psyche, Philologus 102, 1953, 103ff; DELATTE-DERCHAIN 234f.; SCHWARTZ (1979) 192; C.C. SCHLAM, Cupid and Psyche: Apuleius and the Monuments (1976) 14ff.; M.J. EDWARDS, The Tale of Cupid and Psyche, ZPE 94, 1992, 77ff; WINKLER, EROS 230ff. ; N. ICARD-GIANOLIO, in: LIMC VII 1 (1994) 576ff. s.v. Psyche. - Zum Liebeszauber allg.: 75 /CBd-475/(Lit.). - Zur Greifin der Nemesis: P. PERDRIZET, L' ex voto à Némésis du duplicaire Flavis, ASAE 31, 1931, 27ff.; AGWIEN III 175 zu Nr. 2245 /CBd-2489/ (Lit.).

Vgl.: Zum Motiv: Roter und grüner Jaspis SCHWARTZ (1979) 192f. Taf. 39, 58 /CBd-1793/.60 /CBd-1794/; Groner Jaspis DELATTE-DERCHAIN 238 Nr. 328; Heliotrop und brauner Jaspis SKOLUDA 32 /CBd-1726/.33 /CBd-1725/; Hämatit ABD EL-MOHSEN - EL-KHASHAB, A Collection of Gems from Egypt in Private Collections, JEA 49, 1963, 153 Nr. 21 Taf. 25, 20; Karneol BERRY-COLL. 71 Nr. 130; Grüner Jaspis NEVEROV (1978) 844 Taf. 174, 35; Grüner Jaspis BONNER 279 Taf. 8, 161 /CBd-454/; Roter Jaspis AGSOFIA 99f. Nr. 280; Grüner Jaspis SOUTHESK COLL. 184f. Taf. 14, N 67; Karneol MANDRLIOLI-BIZARRI, BOLOGNA 136 Nr. 272. - Zum „Schwert des Dardanos”: Schwarzer Jaspis MOUTERDE (1930) 55ff. Taf. 1; ferner Chalcedon DELATTE-DERCHAIN 235 Nr. 322. - Zum Thema Eros quält Psyche: GELBER JASPIS AGD IV Hannover 272 Tel 198, 1470; Grüner Jaspis, Hämatit und schwarzer Jaspis DELATTE-DERCHAIN 236f. Nr. 324-326; Glas, blau BONNER 266 Taf. 4, 76 /CBd-453/; ferner Achat RIDDER, DE CLERCQ Con. 773f. Taf. 29, 3461. - Zur Greifin der Nemesis: Hämatit AGWIEN III 175 Taf. 107, 2245 /CBd-2489/; Karneol NEVEROV (1978) 847 Taf. 175, 45; Lapislazuli BONNER 257 Taf. 1, 22 /CBd-1289/; Roter Jaspis AGD I, 3 MUNCHEN 123 Taf. 283, 2918; hier 298 /CBd-684/, 299 /CBd-685/.
Last modified: 2015-08-27 14:31:32
Link: cbd.mfab.hu/pandecta/195

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