The CBd
Zwierlein-Diehl, Köln on CBd-1958
Taf. 19
Hämatit, dunkelgrau, matt glänzend. Kante bestoßen, ein nicht durchgehender Bruch auf Seite a unten, kleinere Bestoßungen in den Bildflächen. Korrosionsspuren in den geschnittenen und bestoßenen Teilen. Inv. G 1.
2,55 x 1,98 x 0,38
Bild b 2,20 x 1,55
2. Jh. n. Chr.
Seite a: Ein nackter, unbärtiger Mann steht mit hängenden Armen auf einer mit der Giebelspitze nach rechts liegenden Stele. Der obere Teil von Kopf und Gesicht fehlt. Links von ihm Charakteres: liegendes S246, Kreis, Haken nach links, senkrechter Strich, Strich über Kreis, Haken nach rechts, Strich. Auf der Stele zwei Zeilen von Charakteres: Am Anfang, in der Mitte beider Zeilen ein Z, Zeile 1: sieben Z; Zeile 2: Ein Palindrom aus Zeichen: Mond, Sonne, drei waagrechte Striche, Kreis zwischen waagrechten Strichen, drei waagrechte Striche, Sonne, Mond.
Richtet man die Stele in die richtige Position auf, so daß die Spitze nach oben zeigt, dann liegt der Mann in der Position des Besiegten bzw. Toten auf dem Rücken. Die Charakteres befinden sich dann unter ihm, die Haken liegen, wie auf Seite b.
Seite b: Kreis, liegender Haken, darunter: W N I X, das N linksläufig.
Rand: Inschrift in zwei Zeilen, Buchstabenfüße zur Vorderseite hin, die letzten 10 Buchstaben der 1. Zeile stehen als Einzelzeile über dem Kopf des Mannes, Zeile 2 endet davor:
ΑΚΛΛθΕΙθWΕΚΒΗΛΜILΠΑΒΟVCΑΜΕΧΙΧΧθΟVΡΗVAΑΘΕΙWΜΑΛCΛΛΘΟΑΑ
ακαλθει θωεκ Βηλ μισπαβου σαμεχιχχθο / υβηυ ααθει ωμαλ σαλθοαα
Publikation: Wortmann, Gemmen 74f. Nr. 14. Erwähnt: AGWien ΙΙΙ zu Nr. 2244.
Kommentar:
Die Gemme ist ein in dieser Gattung seltenes Beispiel für aggressive Magie. Es ist anzunehmen, daß die oben beschriebene Drehung des Steines, begleitet von magischen Worten, vom Zaubernden ausgeführt wurde, um sich eine bestimmte Person zu unterwerfen.
Seite a: Der wehrlose nackte Mann ist das Bild des Gegners. Die Stele entspricht Darstellungen von Nilometern und Obelisken oder Giebelstelen auf magischen Gemmen247; die Deutung als Nilmesser scheidet vom Inhalt her aus; es kann also ein Obelisk oder eine Stele griechischer Form gemeint sein. Das in der Mitte vorangestellte und die sieben folgenden Z sind unregelmäßig teils mit geraden teils mit leicht gebogenen Hasten geschrieben. Sie stehen für "Gott" und einen der siebenbuchstabigen Namen. Am Ende der 2. Zeile erkannte Wortmann die aus den Papyri bekannten Zeichen für Sonne und Mond, er nahm an, daß mit den sieben Zeichen die Planeten gemeint seien. Die Zeile beginnt jedoch spiegelbildlich zum Ende mit den Zeichen für Mond und Sonne; die Mondsichel ist lediglich noch etwas unregelmäßiger als am Ende aus mehreren Schnitten zusammengesetzt; es folgt das Σonnenzeichen. bei dem nur der Kreis nicht ganz geschlossen ist: 
Die in den Papyri üblichen Zeichen sind  und . Wenn die Figur des Mannes auf der Gemme steht, erscheint die Mondsichel in der richtigen Position, das Sonnenzeichen weist mit dem "Strahl" nach unten; wenn der Mann liegt, steht das Sonnenzeichen richtig. Man wird nicht fehlgehen, wenn man in dem Palindrom aus Zeichen die Angabe der Zeiten vermutet, zu denen die magische Handlung unter Drehung des Steines auszuführen ist. Der Versuch einer präzisen Deutung wäre Spekulation. Gebete und Handlungen zu bestimmten Zeiten auszuführen, ist von wesentlicher Bedeutung für die Wirksamkeit des Zaubers. Als Beispiel sei die Gewinnung des Beisitzers angeführt, deren Zeremonien bei Sonnenuntergang, in der Nacht, bei Sonnenaufgang und wieder in der Nacht ausgeführt werden (PGM I 55 - 70).
Wortmann wies auf die nächste Parallele zu der Gemme hin, einen Hämatit im Metropolitan Museum, New York248. Der nackte Mann ist dort gefesselt, steht ebenfalls auf einer liegenden Stele, die neben Kombinationen von Iota, Omikron und Ypsilon auch zweimal die Zeichen für Sonne und Mond enthält. Links von dem Mann stehen Charakteres, darunter ein hakenförmiger und zwei mit Ringen am oberen Ende, die Bonner als Nägel oder Nadeln deutet. Auch hier bewirkt die Aufrechtstellung der Stele, daß der Mann rücklings am Boden liegt. Ein weiterer Hämatit in Wien gibt einen Mann mit hängenden Armen wie hier; auf der Rückseite steht ein Zeichen, das dem mittleren Zeichen des Palindroms nächstverwandt ist: ein Kreis zwischen Doppelstrichen.
Ein nackter Mann mit herabhängenden Armen ist als Bild des Gegners, neben dem des herbeizurufenden Dämons, auf der Rückseite eines Papyrus gezeichnet, der die Anweisung zur Herstellung einer (Blei?-)Tafel mit Unterwerfungszauber enthält (PGM IX Taf. 1 7). Auf die Vorderseite der Tafel soll der Name des Gegners geschrieben werden, auf die Rückseite "(Zauberworte, mit 'Ewiger', 'Abrasax'), unterwirf, unterjoche, kneble die Seele, den Groll des NN, weil ich dich beschwöre bei der grausen Zwangsgöttin (Zauberworte, Maskelli-Logos)". Zur Weihe der Tafel sollen Dämonen herbeigerufen und besänftigt werden, sowie die auf die Rückseite geschriebenen Fluchformeln in ausführlicherer Form ausgesprochen werden.
Seite b: Kreis und Haken wiederholen Zeichen der Seite a. ωνιχ: Das linksläufig geschriebene "Ny" mag ein Indiz dafür sein, daß das Zauberwort auch in Variationen wie νωχι, χνωι gesprochen wurde.
Rand: Wortmann liest L und R als lateinische Buchstaben unter Hinweis auf Delatte - Derchain 320; für wahrscheinlicher halte ich, daß C und B gemeint sind, daß die obere bzw. untere Querhaste aus Versehen fehlt;
ακαλθει: vgl. αλθακαει PGM XXXVI 107;
θωεκ Bηλ: der Gottesname Bel (Bal), vgl. PGM IV 1010 "Βαλ Βηλ Βολβεσρω", kommt auch in Zusammsetzungen vor: PGM XΙX a 42 "Οὐοιβηλ, Οὐαιβηλ, Οὐαι Ἰαίω", vgl. Nr. 30a Z. 1;
μισπαβου: mehrere Zauberworte beginnen mit μισ-: μισακται, μισονκται im φωκενγεψ-Logos, z. B. PGM ΙII 513f., μισεφονυμι PGM XVI 26, μισθρην im ηιλαν-Logos, dort auf Βαλ folgend "Ηιλανχυχ ακαρην Βαλ μισθρην ..." z. B. PGM IV 1623f., μισρην PGM IV 1940;
σαμεχιχχθο: vgl. σαμαχιωθ PGM IV 2403
υβηυ: β zwischen Vokalen, vgl. υιιαβωυ PGM XIX a 3;
ααθει: vgl. αεεθι PGM LXI 26;
ωμαλ: Umstellung von ωλαμ "ewig", vgl. λωμα PGM VII 371 und μαριωδαμ = μαρι ωλαμ, "Herr" und "ewig", PGM V 127 und Index 277; σαλθοαα: vgl. σαλαιοθ PGM XXXVΙ 107.

246 Mit dickem Zeiger geschnitten und korrodiert, jedoch nicht das von Wortmann gezeichnete Bild eines Vogels(?).
247 Vgl. Philipp Nr. 1, 112, 159.
248 Bonner Nr. 154 Taf. 7.
 
Last modified: 2013-12-05 11:01:52
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