Hathor im Naiskos
9794. — Glas, tiefblau. Form 10. Rechteckig, mit abgerundeten Ecken. Rechts leichte Verletzung der Oberfläche.
Slg. v. St.
1,79 x 1,29 x 0,3
(1./2. Jh. n. Chr.)
Die Büste der kuhohrigen Göttin Hathor steht in einem Schrein, dessen sich nach oben verjüngende Türlaibung und dessen Schwelle mit Triglyphenfriesen verziert sind (Triglyphen-Omphalosschalen bzw. Triglyphen-Rosetten). Der Schrein ist in einen Naiskos eingestellt, auf dessen schlanken Säulen mit Pflanzenkapitellen das in hellenistischer und in römischer Zeit in Ägypten so beliebte gewölbte Dach ruht. Im Tympanon und darunter in der Hohlkehle des Schreines, die etwas überzeichnet ist, so daß sie auf den Säulen zu ruhen scheint, befindet sich je eine geflügelte Sonne mit zwei Uräusschlangen, ein besonders bei Türstürzen häufig anzutreffendes Motiv. — Den oberen Abschluß des Sistrumgriffes (kultisches Klappergerät, besonders im Hathor- und dann im Isiskult) bildete meist die Büste der kuhköpfigen Hathor. So ist sie auch hier dargestellt: Der Wulst über ihrem Kopf bildet den Übergang zu dem hier nicht dargestellten Sistrumbogen, die runde, reich profilierte "Basis" unter der Büste entspricht dem eigentlichen Sistrumgriff. Die Göttin hat eine lange Perücke, deren Enden nach außen gedreht sind und die mit den gleichen Rosetten wie auf der Schwelle geschmückt ist. Außerdem trägt sie einen breiten, perlen(?)verzierten Schmuckkragen. — Hathor hatte ihren Hauptkultort in Dendera und stand dort in enger Verbindung mit dem Horus von Edfu (vgl. Kat.
Nr. 2 /CBd-1978/), worauf die geflügelten Sonnen mit den Uräusschlangen deuten mögen. Der Tempel von Dendera, an dem auch in römischer Zeit viel gebaut wurde, ist hier allerdings nicht dargestellt. Die in dynastischer Zeit sehr beliebte und anerkannte Göttin wurde mit Aphrodite gleichgesetzt, später von Isis fast ganz verdrängt und außerhalb Ägyptens kaum dargestellt. — Es handelt sich bei diesem Stück wohl um eine Wiederholung aus dem 18. Jh. nach einer bisher unbekannten antiken Vorlage (s. o. S. 1 Anm. 2), wodurch eine der seltenen, späten Hathordarstellungen, zudem in minuziöser Manier ausgeführt, erhalten blieb. Die Büste selbst mit der rosettengeschmückten Perücke und dem Schmuckkragen wird auf einigen anderen Steinen bzw. Glaspasten wiederholt, die auf ein gemeinsames (großplastisches?) Vorbild zurückgehen müssen. Es sei darauf hingewiesen, daß auf einem der Reliefs am Hathortempel in Dendera anstelle des ganzen Tempels nur der Kopf der Hathor in einem Gebäude erscheint. Sie trägt dort eine sehr ähnliche Perücke.
Publ.: Toelken S. 8 Nr. 3. Ausf. Verz. S. 378.
Lit.: Zur Naiskosform: Weber 177 u. Anm. 3. Handler 57ff., gutes Beispiel Taf. 12, 28. Erinnert sei an die Wiedergabe des Isistempels in Rom mit gewölbtem Dach auf einer Münze des Vespasian: Hirmer-Kent u.a. Nr. 229. — Alexandrinische Architektur erscheint auf Münzen in der Zeit von Galba bis Marc Aurel (Handler 57). — Solche Architekturdarstellungen waren auch in der Kleinkunst sehr beliebt, vgl. die zahlreichen Terrakotten: z.B. Weber Nr. 44. 47. 198. 414. R. Jaeger, Ein ägyptischer Amulettring, Jdl 44, 1929, 275ff., wo auch die Büste eines Gottes zwischen den Säulen erscheint. Dieses Motiv auch sonst im griechisch-römischen Bereich, vgl. z.B. eine Asklepios-Gemme bei Maaskant-Kleibrink Nr. 476. — Zum Rundgiebel s. auch: W. Weber, Ein Hermes-Tempel des Kaisers Marcus. SBHeidelbAkdWiss.Phil-hist.Kl. 7, Abh. 1910, 13 Nr. 2 Abb. 2. — Zum Sistrum: Bonnet v. Sistrum, Hathor. Antje Krug, Ägyptische Kleinkunst Kat. Kassel 1971, Nr. 43. — Zu Hathor: Bonnet v. Dendera, Hathor. Zu Darstellungen in röm. Zeit: Bonner, Amulets Nr.
27 /CBd-1293/.
28 /CBd-1294/. Grimm, Zeugnisse Taf. 64,4. 5 Nr. 54 (Ringstein). Anne Roullet, The Egyptian and Egyptianizing Monuments in Rome (1972) v. Hathor. Marie-Christine Budischovsky, La Diffusion des cultes isiaques autour de la mer adriatique I (1977) Taf. 88 (Kapitell in Pula). Zu den Wiederholungen der Büste: AGWien II Nr. 1024 (dort weitere Lit.). Zum Relief in Dendera: Vandersleyen S. 336 und Taf. XLI.