S. Michel, Die Magischen Gemmen im Britischen Museum, 2001, 63-64, no. 97.
Karneol, blaß und von Chalcedon durchsetzt, poliert. Hochoval, beiderseits flach, Rand nach hinten abgeschrägt, Kanten abgerundet. Schräg durch das Bildfeld verlaufender Sprung, eine große Absplißmulde auf der Vs. rechts setzt sich über den Rand in die Rs. fort. Ringstein.
1,75 x 1,35 x 0,35
2/3. Jh.n.Chr.
Aus der Sammlung Towneley (1805) Nr. 311/312.
Brit. Mus. Inv. G 109, EA 56109.
Vs.: Die ovale Bildfläche des Steines ist durch zwei gestrichelte, gekreurte Doppellinien in vier Segmente geteilt. Im Zentrum rahmt, konzentrisch zum Gemmenrand verlaufend, eine orouborosähnliche wulstige Linie ein ovales Medaillon, in dessen Mitte ein Vogel mit langen Beinen im Profil nach links steht. Der Schnabel des Vogels ist kurz und gebogen, ein kleines ovales Auge ist zu erahnen. Federn sind am linken, sichtbaren Flügel mit einigen kurzen Linien angedeutet, zwei längliche Kerben geben die Schwanzfedern an. Im rechten oberen Viertel Harpokrates auf dem Lotuskelch im Profil nach links. Kleidung ist nicht angegeben, die rechte Hand ist in der typischen Geste zu den Lippen geführt, die linke - am Körper angewinkelt - trägt die Peitsche, auf dem Kopf der Sonnendiskus. Im linken oberen Segment, eine geflügelte Schlange mit gerippt gemustertem Körper im Profil nach rechts schräg oben fliegend. Auf dem Kopf der Schlange wohl ebenfalls eine Sonnenscheibe, doch könnte es sich auch um einen kleinen Abspliß handeln, das Maul leicht geöffnet. Darunter, im linken unteren Viertel, ein falkenähnlicher Vogel im Profil nach rechts. Auf dem Kopf wohl eine Krone, Gefieder ist nicht angegeben Flügel und Schwanzfedern nicht differenziert. Das rechte untere Viertel daneben ist durch eine große Absplißmulde stark zerstört. Erhalten sind - im Profil von rechts nach links schreitend - der gestrichelt gekerbte Bauch eines Krokodils mit zwei kurzen Beinen und länglichen Füßen.
Rs.: Inschrift in sieben Reihen:
ΧAΒ
ΡAΧΦΝ
ΕΟΧΗΡΦ
...ΡΟΦΝY
. WΦWX
WΒW
Χ
->Chabrach-Logos
Wie in der Forschung mehrfach betont, illustriert das vorliegende Gemmenamulett eine Passage des Berliner Zauberpapyrus, in der der griechische Sonnengott ApoII, - gleichzusetzen mit Harpokrates -, angerufen wird: „Du hast den Heiligen Vogel auf deinem Gewand in den östlichen Teilen des Roten Meeres, wie du in den Gegenden nach Norden hin die Gestalt des unmündigen Kindes hast, das sitzt auf einer Lotosblume... in den Gegenden nach dem Südwind zu aber hast du die Gestalt des heiligen Sperbers, durch welche du die Glut in die Luft sendest... in den Gegenden nach dem Westwind zu aber hast du die Gestalt eines Κrokodiles, den Schwanz einer Schlange, daher sendest du Regengüsse und Schneegestöber, in den Gegenden nach dem Ostwind zu aber hast du die Gestalt eines Drachen mit Flügeln und hältst eine luftgestaltige Königskrone, mit der du bewältigst die Kämpfe unterm Himmel und auf Erden...” (PRΕISΕΝDΑΝΖ, PGM II 104ff.). Man hat vermutet, daß hier kulttopographische Angaben großer Kultzentren des Sonnengottes in verschiedenen Εrscheinungsformen gemacht seien - verschlüsselt durch die Κardinalpunkte angedeutet und nach ägyptischem Weltbild jeweils östlich und westlich des Nils zu suchen: Nefertem von Μemphis (NΟ), Horus Behedti von Edfu (SW), Sobek im Faijum (NW) und Μin-Amun (SΟ). Betrachtet man die Gemme im Abdruck, so wären die Erscheinungsformen des Sonnengottes in den vier Himmelsrichtungen um den Phönix in der Mitte gruppiert: im Norden Harpokrates auf der Lotosblüte, im Süden der Falke (Horus), im Westen das Krokodil (Sobek-Re, Gott des Fayum), im Osten der Flügeldrache (Harpokrates-Eros in Gestalt der Agathos-Daimon-Schlange). Der auf der Rs. erscheinende ->Chabrach-Logos wird im Ρapyrustext einige Zeilen weiter als geheimer Name des angerufenen Sonnengottes zitiert.
Der Schnitt der Gemme mutet zwar kleinteilig und detailliert an, ist jedoch, wohl auch wegen der kleinen Größe, ohne Details und teilweise auch nur mit flüchtig gekerbten Flächen gearbeitet. Raumaufteilung und Nutzung ergibt sich aus dem oben ausgeführten Bedeutungsgehalt des Steines.
Publ.: BOΝNER
142 Anm.11; ΒARB, ABRAXAS-STUDIEN 82 Taf. 18, 1-3 (Lit). MERKELBACH, ABRASAX 22ff. §36, Taf. 3.
Lit.: Zum Motiv: BARB, ABRΑΧAS-STUDIΕN 81ff.; GUΝDEL, WELTBILD 7f; MERKELBACH, ABRASAX 22ff.; ΗARRAUER, MELIOUCHOS 35ff. - Zum Phönix:
102 /CBd-502/Lit.).
Vgl.: Unreiner Jaspis ΗENIG, LEWIS COLL.
59 Taf. 14, 244 /CBd-145/. - Zum Thema:
98 /CBd-498/(Vgl.).