Harpokrates im Kreis der Tiere
9814. — Jaspis, rotbraun. Form 8. Linker oberer Rand bestoßen.
Slg. v. St.
2,35 x 1,95 x 0,45
2. Jh. n. Chr.
Vs.: In einem winzigen Papyrusboot mit stark hochgebogenen Enden steht auf niedrigem Stengel eine breite Lotosblüte mit dickem Rand und seitlich umgeben von dicken Knospenstengeln. Auf ihr sitzt nach links gewendet Harpokrates, im eingestützten linken Arm die Geißel, den rechten Index zum Mund geführt. Langes Haar bzw. die Jugendlocke scheint auf die Schulter zu fallen, und auf dem Kopf trägt er die Sonnenscheibe. Rechts und links von ihm Mond und Stern. Über ihm befinden sich drei Skarabäen, dann, im Uhrzeigersinn, hinter ihm drei Ziegenböcke, es folgen drei Uräusschlangen, drei Krokodile und vor ihm, ihm zugewendet, drei Horusfalken mit Doppelkrone.
Harpokrates wird nach seiner Geburt aus der Lotosblüte von den guten Tieren angebetet, die bösen sind von ihm besiegt worden. Es gibt zahlreiche Gemmen, die ihn wie hier umgeben von den Tieren zeigen, wobei die Zahl Drei die Vielfalt der Tiere andeutet. Der Skarabäus ist das Symbol der Ewigkeit, der Falke Symbol der Sonne und des Sonnengottes, zum Ziegenbock bzw. dem “Widder von Mendes” vgl. Kat. Nr.
71 /CBd-2047/.
90 /CBd-2064/.
93 /CBd-2067/. Es sind dies die guten Tiere; darunter folgen die bösen: Die Schlange, das Symbol des Chaos, ein Tier der Finsternis, und das Krokodil als Inbegriff des Bösen werden von Horus überwunden. Diese Kraft soll durch das Amulett auch auf seinen Träger übergehen. — Zügige Arbeit, trotz grober Schnitte detaillierte Angaben.
Rs.:
CΘOMBA
OΛHBAOΛH
CΘOMBΑΛ̣XΑ
KAMCOΥ [.]
[[Β]]ΛHΟCΘ
OMBΛH
In Zeile 3 Λ oder Χ hinzufügen, in Zeile 4 und 5 je eine Rasur: Μ offenbar zu Υ verändert bzw. Β eliminiert. Wohl kein Verschreiben, sondern absichtliches Verunklaren der eigentlichen Zauberformel, wie sie Bonner rekonstruiert hat:
στομβαοληβαολσθομβαλακαμσθομβλη
Er nennt im ganzen sieben Beispiele (Amulets Nr.
17 /CBd-1284/. 33 /CBd-1297/.
203 /CBd-1396/.
228 /CBd-1413/.
355 /CBd-1079/ u. Anm. 126 auf S.
206), zwei davon mit Helios- bzw. Sarapisdarstellungen und eine dritte mit Harpokrates wie hier umgeben von den Tieren. In allen drei Beispielen also deutliche Beziehungen zur Sonne. “σθομβλοην” kann vielleicht “Herr des Schlafes” bedeuten.
Auf dem Rand:
XABPAXΦNECXHPΦIXPOΦNΥPWΦWXWḄ[WX]
Die Buchstaben ergeben die magische Zahl 9999; die Formel erscheint meist in Zusammenhang mit Harpokrates.
Publ.: Toelken S. 24 Nr. 93. Ausf. Verz. S. 379.
Lit.: Zu Harpokrates: Kat.
Nr. 85ff. /CBd-2059/ — Zur Darstellung im Kreis der Tiere und zu deren Bedeutung zusammenfassend: Wortmann, Nilflut 73ff. Beispiele bei Bonner, Amulets Nr.
203 /CBd-1396/-
210 /CBd-1401/. Delatte-Derchain 108 und Nr. 146ff. Henig, Lewis Coll.
Nr. 245 /CBd-147/. Gewisse ikonographische Ähnlichkeiten mit den in römischer Zeit besonders geschätzten Darstellungen von Orpheus im Kreis der Tiere haben vielleicht auch die Beliebtheit der Harpokrates-Motive gefördert. — Zur σθομβασλη-Inschrift: Bonner, Amulets
206. Delatte-Derchain Nr. 150. 151. 153 (Harpokrates mit Tieren,
Nr. 151 /CBd-2106/ außerdem mit beiden Formeln wie hier). P. J. Sijpesteijn, BABesch 45, 1970, 175ff. Nr. 1. — Zur Chabrach-Formel: Bonner, JEA 16, 1930, 6ff.; ders., Amulets
141f.,
202; ders., Hesperia 23, 145, Nr. 28. A. J. Festugière, Pierres magiques de la coll. Kofler, Fs. R. Mouterde I, 3ff. Nr. 5 (Mél. de l'univers. St. Joseph 27, 1960-61). AGDS ΙII Kassel Nr. 148. — Zu Rasuren, allerdings offenbar mit Korrekturen, vgl. Barb, Gnomon 301 bzw. die o.a. Parallele Delatte-Derchain Nr. 150.