S. Michel, Die Magischen Gemmen im Britischen Museum, 2001, 72-73, no. 110
Dunkelbrauner, grün gesprenkelter Jaspis, poliert. Hochoval, beiderseits flach, Rand nach hinten abgeschrägt, Kante abgerundet. Kleine Absplisse links und rechts an der Kante. Ringstein.
1,4 x 1,1 x 0,45
3. Jh.n.Chr.
Von G. Eastwood, E. (1864), ehemals Sammlung Praun und Mertens.
Brit. Mus. Inv. G 157, EA 56157.
Vs.: Harpokrates auf dem Lotuskelch im Profil nach links. Der Lotuskelch entspringt einer Grundlinie, die aus zwei parallel gesetzten Querkerben besteht. Der kräftige Stengel erinnert mit den beiden im oberen Drittel jeweils links und rechts abstehenden Linien an einen Djed-Pfeiler in der Form eines griechisch-römischen Luterions. Der Blütenkelch ist flach, schalenförmig und ungemustert, der Rand durch eine Querkerbe etwas abgehoben. Harpokrates sitzt in dem Blütenkelch, das sichtbare Bein angewinkelt, der Fuß nur flüchtig durch eine scharfe kurze Linie angedeutet. Der Oberkörper ist mit einigen Querkerben für Brustmuskulatur versehen. Während die rechte Hand zum Mund geführt ist, hält die nicht ausgearbeitete linke eine Peitsche. Eine Kerbe neben dem Unterarm könnte darauf hinweisen, daß der Arm ursprünglich wohl anders geführt werden sollte. Der Kopf scheint bedeckt, doch ist nicht klar auszumachen, ob es sich um ein Band oder eine Krone handelt, die Jugendlocke ist angedeutet. Das Profil besteht aus einer grob angesetzten dreieckigen Nase und zwei spitz abstehenden Linien für die Lippen. Ιm freien Feld verteilt die Buchstaben einer Inschrift. Links neben dem Kopf der Figur:
ΙA
rechts daneben:
W
Links neben der Figur, unten beginnend und senkrecht nach oben laufend:
AΒAΛ
rechts neben der Figur, oben beginnend und senkrecht nach unten laufend:
ΒΑΛΘΑΝ
->Iaô, ->Ablanathanalba-Palindrom?
Bei AΒAΛΒAΛΘAΝ könnte es sich um eine Verschreibung des ->Ablanathanalba-Palindroms handeln, auch wäre zu bemerken, daß in dem Wort zweimal die Silbe ΒAΛ („Auge”) enthalten ist und auf das „Horusauge” angespielt sein könnte. Das Wort erscheint in einem Gebet an den Sonnengott „Psoi-Agathosdaimon”.
Rs.: Queroval. Auf einer Grundlinie halbaufgerichtet liegende Figur im Profil nach links. Die Beine sind nur leicht gebeugt, beinahe waagerecht ausgestreckt. Obwohl beide Füße mit kurzen Kerben angegeben sind, sind die Beine selbst nicht einzeln erkennbar, sie scheinen mumifiziert gedacht, wie es auch mehrere schräge Kurzkerben von Knie bis Oberschenkel anzugeben scheinen, auf dem Oberkörper Senkrechtkerben. Der rechte Arm der Figur ist waagerecht ausgestreckt und hält einen unidentifizierbaren Gegenstand, wohl Füllhorn oder Rhython. Mit der angewinkelten Linken stützt sich die Figur auf einen länglichen oben mit Querkerbe abschließenden Gegenstand, vielleicht ist eine Fackel gemeint. Der Kopf ist mit einem Tuch oder Perücke bedeckt, vorn wohl eine Uräusschlange im Profil.
Der Lotus auf der Vs. scheint einem Djedpfeiler angeglichen, indem er luterionähnlich gebildet ist. Im Ritual wurde mit dem Aufrichten des Djedpfeilers, der als das Rückrat des Osiris galt, dem Mythos gemäß das Aufrichten des Osiris durch Horus nachvollzogen. Wortmann weist auf eine Entsprechung der Djedamulette mit den magischen Steinen hin. Das Motiv wäre insofern schlüssig, als daß auf der Rs. Osiris/Nil dargestellt sein dürfte, motivisch dem Typus auf Mϋnzbildern entsprechend. Wie seine häufige Begleiterin Euthenia, symbolisiert er mit Füllhorn, Lotus, Schilfrohr, Mohnkapseln oder Ähren allgemein Fülle, Fruchtbarkeit und gute Ernte. Im Bereich der Magie ist der Nil und vor allem auch die Nilüberschwemmung - mit Osiris identifIziert - Regenerationssymbol.
Die Figuren sind grob und flüchtig geschnitten, größtenteils aus kantigen Kerben zusammengefügt. Flächen werden durch Linien kaum näher charakterisiert (Verdickung des Stengels, Zepter, Profile der Figuren). Details sind so flüchtig angegeben, daß sie kaum zu erkennen sind. Insgesamt wirkt der Stil steif und rauh, nur schemenhaft und ungenau zitierend.
Publ.: KING, GNOSTICS (1864) 218 Taf. 8, 2; KING, GNOSTICS 436 Taf. C, 2.
Lit.: Zum Thema allg.:
102 /CBd-502/(Lit.),
104 /CBd-504/(Lit.). - Ζu BΑΛ: MERKELBACH, ABRASAX 108 IV 1624.1633; ZWIERLEIN-DIEHL, KÖLN 102 zu
Νr. 30 /CBd-1960/. - Ζu Horusauge:
104 /CBd-504/(Lit.). - Zum Djedpfeiler: WΟRTMΑNN, ΝILFLUT 65 Anm.9. - Zum ΝΗ: WORTMANN, NILFLUT 87ff; M. GÖRG, Νeilos und Domitian, ein Beitrag zur spätantiken Νilgott-Ikonographie, in: Ägypten und Altes Testament 14, 1988, 65ff.
Vgl.: Ζu Harpokrates auf dem Lotus im Profil nach links:
104 /CBd-504/(Vgl.),
105 /CBd-505/,
108 /CBd-508/,
113 /CBd-513/,
116 /CBd-516/,
118 /CBd-518/,
119 /CBd-519/. - Zur Luterionform des Blütenkelches:
113 /CBd-513/,
115 /CBd-515/,
118 /CBd-518/,
120 /CBd-520/,
123 /CBd-523/. - Ζu Motiv und ->Ablanathanalba-Palindrom:
105 /CBd-505/(Vgl.),
106 /CBd-506/. - Ζu Motiv und BΑΙ: Schiefer DELATTE-DERCHAIN 115 Νr. 144 (ABRΑBAL). - Zum Motiv allg.:
104 /CBd-504/–116 /CBd-516/, ferner
118 /CBd-518/–122 /CBd-522/. - Zum ΝΗ auf Münzen: D.O.A. KLOSE - B. ΟVERBECK, Ägypten zur Römerzeit, Ausstellungskatalog Staatliche Münzsammlung München (1989) 38 Νr. 108 (Hadrianische Drachme), 39 Νr. 110 (Antoninus Pius, Drachme). - Zum ΝΗ:
248 /CBd-646/.