The CBd
Philipp, Mira et Magica on CBd-2141
Löwenbiga und Gerippe
9885. — Hämatit. Form 2. Am Rand bestoßen.
Slg. v. St.
2,91 x 2,3 x 0,4
2./3. Jh. n.Chr.
“Ich habe.... eines Steines.... gedacht, auf welchem drei Gerippe zu sehen: das eine fährt auf einer Biga, mit grimmigen Tieren bespannt, über ein anderes, das zur Erde liegt, daher und drohet, ein drittes, das vorsteht (oder “hockt”? Verf.), gleichfalls zu überfahren.... ist dieser Stein von schlechter Arbeit und mit einer griechisch scheinenden Schrift vollgefüllt, die keinen Verstand macht.” Mit diesen Worten beschreibt Lessing in seinen Ausführungen “Wie die Alten den Tod gebildet” diesen Stein der Berliner Sammlung (Göschen, 1874, Bd. 4, S. 90). Die grimmigen Tiere sind wohl zwei Löwen. Das Gerippe auf dem Wagen, der nach rechts fährt, schwingt in seiner Rechten eine Geißel, während es mit der Linken die Tiere lenkt. Die drei Gerippe, der Wagenkorb und seine Räder sind mit ungelenken Strichen ausgeführt, während die Löwen mit großer Mähne und geöffneten Mäulern plastischer und zügig ausgearbeitet sind.
Die Darstellung von Gerippen ist seit dem Hellenismus als moralisierender Hinweis auf die Vergänglichkeit der Menschen und ihrer Gleichheit vor dem Tode sehr beliebt gewesen. Für die Ägypter berichtet schon Herodot (II, 78), daß sie bei einem Gastmahl als Warnung ein hölzernes Skelett in einem Sarg herumzeigten. In der Literatur erscheint dieses Motiv dann wieder bei Petronius im “Gastmahl des Trimalchio” (Satyricon 34. Vgl. auch den Kommentar von L. Friedländer). Ein kleiner Holzschrein mit einem hölzernen Skelett befindet sich im Ägyptischen Museum Berlin-Charlottenburg (Katalog 1967 Nr. 956). — Die genaue Bedeutung unserer Darstellung ist jedoch unklar und Lessings Deutung, es seien die Toten dargestellt, die als Skelette, als Larven ihrer Lieblingsbeschäftigung zu Lebzeiten, nämlich den Rennspielen, nachgingen, ist nicht erschöpfend. Wie ein Pharao, aber in der Attitüde des Sonnengottes, auf den ja im Text offenbar angespielt wird, jagt der “lebendige" Knochenmann über den unterlegenen toten Feind hinweg. Auch die Löwen könnten auf die Sonne bezogen sein (vgl. zu Chnoubis und Heliorus Kat. Nr. 125 /CBd-209/. 136 /CBd-219/. 137ff. /CBd-220/), was aber eine einfache Interpretation als “Sieg des Todes über das Leben” erst recht erschweren würde. Außerdem ist damit das dritte, rechts hokkende Gerippe nicht gedeutet.
Ähnlich wie bei Kat. Nr. 188 ist auch hier die ganze Bildfläche mit Buchstaben überzogen, von denen auch wieder nur einige einen Sinn ergeben. Nach einer Vermutung von H. Satzinger zu Zeile 1 und 2 (v. o.) ist vielleicht folgendes zu lesen: ANI könnte für Koptisch ανι = “Bring!” stehen; ΘΟΥΕPPI bzw. ΘΟΥΗΡΟΙ ist vielleicht aus t-wēre/i = bohairisch θουηρι = “die Große” herzuleiten, XANNEB könnte NHB = “Herr”, αṄNHΒ (bohair.) = “für/ unter die Herren” enthalten. Die Buchstaben der Zeilen 3 und 4 χειμεχελαμ entsprechen wohl dem auch sonst häufigen, dem Hebräischen entnommenen σεμεσιλaμ: “ewige Sonne” (vgl, hier Kat. Nr. 92 /CBd-2066/). Die Buchstaben der ersten Zeile der über dem liegenden Skelett stehenden Worte “EPΦ” sind vielleicht als “ehre” für ägyptisch “Sonne” zu lesen, möglicherweise ebenso die Buchstaben in der letzten Zeile unter diesem Skelett. Ist YΛΟΥ rechts daneben mit ὕλη (vgl. Kat. Nr. 187 /CBd-2140/) zu verbinden? "WA” in dem linken Wagenrad kann für “AW” = “Anfang und Ende” stehen. Ist IΑΥΙA in dem rechten Wagenrad ein mißglücktes Palindrom? Bedeutet ENΠECE in dem rechts hockenden Gerippe den lmper. Aor. von ἐμπίπτω = “greif an!”? In der senkrechten Zeile links von diesem Skelett (d. h. vor den Löwenköpfen) ist vielleicht οὐρά “der Schwanz, das Ende” zu lesen. Die zweite senkrechte Zeile vom linken Rand könnte mit ΘMΥWΘ den Namen Thoth enthalten. Trotz dieser vielleicht im einzelnen richtig gelesenen Worte läßt sich ein kohärenter Text nicht rekonstruieren.
Publ.: Toelken S. 451 Nr. 103. Ausf. Verz. S. 380. Pieper 119ff. 143. Katalog 1967 Nr. 1056. Gröschel Nr. 103.
Lit.: Zur Darstellung von Gerippen: E. Caetani Lovatelli, Di una piccola larva convivale in bronzo, Mon. Ant. 5, 1895, Sp. 5ff. O. Brendel, RM 49, 1934, 157ff. R. Zahn, BWPr 81, 1923, 1ff. — F. Causey Frel, A Larva Convivalis in the Getty Museum, J. P. Getty Mus. Journ. 8, 1980, 171f.— Skelette auf Gemmen: Richter, Engraved Gems Nr. 352. AGDS III Göttingen Nr. 618. AGDS II Berlin Nr. 421. B. Y. Berry, Α Selection of Ancient Gems from the Collection of B. Y. Berry (1965), Nr. 92. — Zu A und W: F. Dornseiff, Das Alphabet in Mystik und Magie (1925/1979) 122f.: Interpretation als “Anfang und Ende” schon vorchristlich belegt. Vgl. auch die Off. d. Joh. I, 8. — Zum Stehen auf liegenden Gestalten: R. Wünsch, Sethianische Verfluchungstafeln aus Rom (1898) 16 (Seth steht auf Mumie). Hier Kat. Nr. 42 /CBd-2018/ mit weiteren Beispielen.
 
Last modified: 2015-07-22 11:41:58
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