The CBd
Michel, BM on CBd-519
S. Michel, Die Magischen Gemmen im Britischen Museum, 2001, 78, no. 119

Dunkelbraun-grüner Jaspis, stark poliert. Hochoval, beiderseits flach, Rand von beiden Seiten zu einem abgerundeten Mittelgrat hin abgeschrägt, oben und unten gerade und nachträglich angebohrt, wohl für Bügelhalterung. Unten ausgebrochen. Ringstein.

2,1 x 1,8 x 0,3
18. Jh.n.Chr.
Aus der Sammlung Blacas.
Brit. Mus. Inv. G 428, EA 56428.

Vs.: Harpokrates frontal auf dem Lotus sitzend, den Kopf im Profil nach links gewendet. Die Grundlinie, von der aus die Lotuspflanze emporwuchs, ist durch Abspliß zerstört. Neben dem kräftigen, aus mehreren senkrechten Linien bestehenden Blütenstengel, sind zwei länglich ovale Knospen angegeben, die sich nach außen neigen. Die große schalenförmige Lotusblüte ist mit kurzen Senkrechtlinien gestrichelt und schließt mit einem breit gewölbten und schräg gestrichelten Kelchrand ab. Harpokrates sitzt auf seinem eng angewinkelten linken Bein, das rechte hängt leicht angewinkelt über den Rand der Blüte herab. Die Füße sind ausgearbeitet, beim linken sind mit je einer kurzen Kerbe der Knöchel und die Ζehen angegeben, am rechten Unterschenkel ein Fußring. Die Figur ist unbekleidet, Geschlechtsteile, Nabel und Brustwarzen sind mit kleinen Schräg- und Querkerben angedeutet. Der rechte Arm ist angewinkelt erhoben, die Hand im Gelenk nach innen gebeugt, so daß der gestreckte Zeigefinger zum Mund hin zeigt, auch die übrigen Finger sind mit feinen Ritzlinien ausgeführt. Um das Handgelenk scheint ebenfalls ein Ring gelegt zu sein. Die linke Hand ruht auf dem Oberschenkel und umschließt eine ovale, leicht geöffnete Lotusknospe. Der große gewölbte Hinterkopf des Kindes ist bis auf die sich um das Ohr ringelnde Jugendlocke kahl. Das Profil ist mit einer großen dreieckigen Nase, hervorstehenden, leicht geöffneten Lippen und einem rundlichen Kinn sehr detailliert gearbeitet, ebenso das mit Braue, Pupille und Lid angegebene große, mandelförmige Auge. Der Kopf ist von sieben stachelförmigen Strahlen umgeben, zwischen den beiden längsten vorn der Sonnendiskus.

Rs.: Inschrift in zwei Reihen:
ΑΡCΕ
ΝΟΦΡΗ
Das Wort AΡCΕΝΟΦΡΗ oder auch ΟΡCΕΝΟΦΡΗ erscheint bei Anrufungen an den Sonnengott mehrmals in den magischen Papyri („ὁ Θεὸς ὁ μέγας, Ορσενοφρη”). In einem „Gebet bei Sonnenaufgang” wird das Wort als Epitheton für Horus gebraucht und von Merkelbach mit „der gute Gefährte” übersetzt (äg. Írj-hms-nfr). Bonner entnimmt dagegen die Silben ΑΡ (Hr) für Horus, äg. nfr („gut”) sowie ΦΡΗ („Sonne”) und schlägt dementsprechend die Übersetzung „Horus Sohn des Guten (Osiris)” oder „Horus, Sohn der guten Sonne” vor.

Das frontale Sitzmotiv mit einem angewinkelten und einem gestreckten Bein ließe sich mit der Lässigkeit oder Entspannung symbolisierenden „Lalitasana”-Haltung der indischen Götterwelt assoziieren, wo mit den Körperhaltungen (Sthanas und Asanas) Launen und Funktion einer Gottheit wiedergegeben werden.

Eine Arbeit mit sensibler Detailangabe (Ringe, Locke, Knöchel, Auge). Die Proportionen der Hauptfigur sind veristisch und überzeugen: der große Kopf steht im Gegensatz zu einem knabenhaft schmächtigen Oberkörper mit rundlichen Schultern und dünnen Armen, ebenso wirkt die Figur in der Proportion zum Blütenkelch kindlich. Feinfühlig ist mit kaum merklichen Wölbungen und Kerben Muskulatur angegeben (Brust und Oberarme, rechtes Bein). Die angestrebte Haltung und Bewegung der Figur ist folgerichtig ausgefϋhrt und bis ins Detail durchgehalten. Linien und Wölbungen harmonieren oder stehen in krassem Gegensatz zueinander (Rundung des Hinterkopfes und spitze Strahlen). Insgesamt ein meisterhaftes Stück des 18. Jahrhunderts mit einer Darstellung, die in ihrem Habitus indisch beeinflußt anmutet (Kopf, Lotusknospe in der Hand, Ringe, Sitzhaltung).

Publ.: BONΝER 196 (erw.).

Lit: Zum Thema: 104 /CBd-504/(Lit.). - Zum frontalen Sitzmotiv: A. KEILHAUER - P. KEILHAUER, Die Bildsprache des Hinduismus. Die Indische Götterwelt und ihre Symbolik (1983) 421 Abb. 30. - Ζu ΑΡCΕΝΟΦΡΗ: PREISEΝDANΖ, ΡGM II 118, IV 1629; BONNΕR 196; MERKELBACH, ABRASAX 52 II 116 und Register 240; BETΖ 332 (Arsenophre, Lit.); BRASHEAR, MAGICAL PAPΥRI 3580 s.ν. αρσενοφρη (Lit.).

Vgl.: Ζu Harpokrates auf dem Lotus, frontal: Grüne Jaspisse AGD ΙII KASSEL 234 Taf. 104, 151.152; Braun-grüner Jaspis AGD IV ΗAΝNOVER 308 Taf. 223, 1699; Roter Jaspis DELATTE-DERCHAIN 114 Νr. 143; Lapislazuli ΗENIG, LEWIS COLL. 59 Taf. 14, 247 /CBd-154/; Hämatit BONΝΕR 286 Taf. 9, 195 /CBd-1390/; hier 120 /CBd-520/, 121 /CBd-521/, ferner 146 /CBd-545/. - Ζu ΑΡCΕΝΟΦΡΗ: MONTFAUCΟN Suppl. II 2 Taf. 55, 4; ferner Heliotrop PANΝUTI, ΝAΡOLI 300ff. Νr. 269: (AΡCΕΝΟΘΗB), hier 493 /CBd-851/. - Zum Attribut Lotusknospe: Schwarzer Jaspis und Karneol DELATTE-DERCHAIN 111 Νr. 136, 114 Νr. 142; hier 103 /CBd-503/. - Ζu Fußringen und Armreifen: 105 /CBd-505/, 567 /CBd-926/. - Ζu Harpokrates auf dem Lotus allg.: 104 /CBd-504/(Vgl.)116 /CBd-516/, 118 /CBd-518/.
Last modified: 2015-08-31 14:49:55
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