S. Michel, Die Magischen Gemmen im Britischen Museum, 2001, 80, no. 122.
Brauner Stein, matt (BritMusLab: „Siltstone”). Quadratisches Plättchen, facettiert, Rand nach hinten abgeschrägt, Kanten abgerundet. Kleine Absplisse und Bestoßungen ringsum an der Kante, Vs. und Rand. Durchbohrt. Anhänger.
2,6 x 2,3 x 0,3
3. Jh.n.Chr.
Gekauft von Rev. G.J. Chester (1889).
Brit. Mus. Inv. G 504, EA 56504.
Vs.: Im Zentrum der Darstellung Harpokrates frontal auf dem Lotus, dessen Stengel einer Grundlinie entspringt, floral gewunden aufsteigt und von einer bärtigen Schlange mit geöffnetem Maul umwunden wird, darunter ein Krokodil im Profil nach links. Der Lotuskelch ist klein und schüsselförmig, der Rand etwas gewölbt überstehend. Darauf Harpokrates, das rechte Bein leicht gebeugt ausgestreckt, das linke eng angewinkelt, als säße er auf der Ferse. Der Knabe ist unbekleidet, auch Muskulaturangabe fehlt. Beide Arme sind in der Schulter waagerecht abgestreckt und angewinkelt erhoben, die geöffneten Handflächen zeigen nach oben. Das Gesicht ist kaum ausgearbeitet, nur die Nase ist mit einer Kerbe bezeichnet, rechts schwingt die Jugendlocke zur Seite. Um die Stirn scheint ein Band geführt, auf dem Kopf der Sonnendiskus, neben dem links und rechts einige Strahlen zu sehen sind. Im freien Feld über der Figur links ein achtstrahliger Stern, rechts die Mondsichel. Rechts oberhalb von Harpokrates, ihm zugewandt und seine linke Hand mit der ausgestreckten Rechten berührend, der ibisköpfige Thoth. Der Gott ist mit einem Schurz bekleidet, auf dem Kopf wohl die Hehem-Krone, in der senkrecht am Körper hängenden Linken die Saschleife (Schutz). Unter Thoth die thronende Isis nach links, Gewand ist angedeutet, auf dem Kopf die Krone mit Hörnern und Sonnenscheibe. Ob eine Linie in Nähe ihrer rechten Hand einen Speer bezeichnet, der zu dem Schwanz des Krokodiles zu ihren Füßen führt, bleibt unklar. Links über dem Krokodil ein Skarabäus in Aufsicht nach oben, weiter am Rand daneben die Osirismumie mit Hehemkrone, im Profil nach rechts. Über Osiris schließlich der schakalköpfige Anubis mit Perücke im Profil nach rechts. Mit der ausgestreckten Linken berührt er die zweite Hand des Horuskindes auf dem Lotus, in der herabhängenden Rechten wird er ursprünglich ebenfalls die Sa-Schleife getragen haben (Abspliß). Am Rand Reste einer Inschrift. Links ist nur ein Buchstabe erhalten:
Δ..
rechts senkrecht von oben nach unten geschrieben:
AIW
anagrammartig ->Iaô
Rs.: Inschrift und ->Charakteres in fünf Reihen:
ΜΦCΥΒ
ΗΑΒΕΜΖ
Das Bild skizziert das Mythologem um Horus, der Zentral als Kind auf dem Lotus dargestellt ist. Anwesend sind seine beiden Helfer Anubis und Thot sowie die Eltern Isis und Osiris. Das Krokodil weist einerseits auf den Sieg über das Böse (Seth) hin, andererseits kann es auch das feuchte Element und somit den Nil oder Urozean Nun symbolisieren, aus dem der Lotus emporsproß (Kosmogonie). Der Skarabäus - Regenerationssymbol und Ζeichen für „Entstehen” - unterstreicht - wie die Osirismumie - die Aussage des Bildes: tägliche, jährliche und ewige Lebenserneuerung (Sonne, Natur, Wiedergeburt).
Zwar ist der Schnitt linear, flach und stellenweise flüchtig, doch sind einige Details bedacht (Kronen, Kleidung). Die Komposition ist im Raum interessant verteilt, der vorhandene Platz gut genutzt, so daß viele Figuren untergebracht sind und die Darstellung lebendig wirkt.
Lit.: Zum Οsirismythos:
1 /CBd-380/(Lit.),
9 /CBd-388/,
12 /CBd-391/,
55 /CBd-434/(Lit.). - Zum Thema:
104 /CBd-504/(Lit.). - Zum Krokodil als Symbol für das feuchte Element: L. KÁKOSY, in: LÄ III (1980) 808 Anm.135.136 s.v. Krokodil.
Vgl.: Ζu Thema, Stil und Form des Amuletts: quadratischer Serpentin, durchbohrt ΗENIG, CAMBRIDGE
225 Nr. 498 /CBd-102/. - Zum Motiv Schlange am Lotus:
111 /CBd-511/(Vgl.). - Zum Krokodil unter dem Lotus: Heliotrop SMITH-HUTTON, COOK COLL. 53 Taf. 9, 239; ferner roter Jaspis ZWIERLEIΝ-DIEHL, KÖLN
62ff. Taf. 6, 8 /CBd-1946/; Lapislazuli DELATTE-DERCHAIN 122 Nr. 160; Grüner Jaspis HENIG, LEWIS COLL.
59 Taf. 14, 245 /CBd-147/. - Zum Sitzmotiv:
119 /CBd-519/(Vgl.)
–121 /CBd-521/, ferner
146 /CBd-545/. - Zum Motiv allg.:
104 /CBd-504/–116 /CBd-516/,
118 /CBd-518/,
119 /CBd-519/. - Zu Horus und Anubis bzw. ibisköpfiger Thoth:
43 /CBd-422/(Vgl.),
52 /CBd-431/(Vgl.).