Inv. IX 2002. Heliotrop. Form 8. In moderner Goldfassung mit beweglichem Bügel. 1861 von Frau La Croix erworben. 1897 nachträglich inventarisiert.
2,24 x 1,70 (si.O.) x 0,47
Bild b 1, 90 x 1, 20
2. Jh. n. Chr.
Seite a: Der hahnenköpfige, schlangenbeinige Gott in Panzer und Paludamentum, mit Peitsche und Schild. Der Kopf ist ins Profil nach links gedreht, der Körper in Vorderansicht gegeben, die mit Querstrichen gemusterten Schlangenbeine winden sich S-förmig nach beiden Seiten. Die Schlangenköpfe sind bärtig, tragen Sonnenscheiben auf dem Kopf. Auf dem von außen gesehenen Schild: Ιαω. Links Mondsichel, rechts (Sonnen-)Stern. Feiner Flachperlstil.
Die ungewöhnlich sorgfältige Darstellung trägt bei zum Verständnis der Gottheit. Die von Barb vertretene Gleichung mit Giganten, speziell dem jüdischen Giganten Gibor, ist eine rein formale. Die Sonnenscheiben zeigen, daß auch die Schlangen von solarer Natur sind, sie symbolisieren nicht, wie Nilsson deutete, die unterirdische Welt. Der Gott mit dem Kopf des Sonnenvogels und der Peitsche des Sol ist zugleich Harpokrates - Chnubis - Agathos Daimon, Harponchnouphi. Sein Hauptname ist Iao (s. u. Philonenko).
Seite b: Zweizeilige Inschrift: ABΛANA/ΘANAΛBA
Vgl.: Zu a: Zur Interpretation der Gestalt:
Bonner 123ff. Goodenough II 245ff. M. P. Nilsson, The Anguiped of the Magical Amulets, in: Harvard Theological Review 44, 1951, 61ff. Barb, Abraxas-Studien 76ff. Schwartz 157ff. Nr.
1 /CBd-1367/–
6 /CBd-1761/. M. Philonenko, L’anguipède alectorocéphale et le Dieu Iao, CRACInscr. 1979, 297ff.
Philipp zu Nr. 158 /CBd-2113/, vgl. Nr.
159 /CBd-2114/–
169 /CBd-2124/. Gelehrte des 16. Jh. s identifizierten diese Gestalt mit »Abraxas«, der bei Kirchenvätern als höchster Gott in der Lehre des Basilides genannt wird. Als Beweis führen sie Gemmen an, die auf einer Seite das Bild des Hahnenköpfigen mit Schlangenbeinen, auf der anderen die Inschrift ΑΒΡΑΣΑΞ (lat. Abraxas) tragen: So Josephus Scaliger (1540–1609) und Macarius (Jean l’Heureux, gest. 1614), vgl. Macarius – Chifletius 7, 9; die Kirchenvater-Stellen bei
Bonner 133. Diese für ihre Zeit und Materialkenntnis bemerkenswerte Schlußfolgerung gab der Gestalt und der ganzen Gattung ihren Namen. Sie wurde häufig wiederholt und gilt bis heute oft als stichhaltig (zuletzt: Zazoff HdArch. 350, 359). Bonner widerspricht der Annahme, »Abrasax« sei der Name des Hahnenköpfigen, weil »Abrasax« auch in Verbindung mit anderen Typen vorkomme (z. B. hier Nr.
2199 /CBd-2442/,
2208 /CBd-2452/,
2241 /CBd-2485/,
2255 /CBd-2499/,
2260 /CBd-2504/). Er geht jedoch einen Schritt zu weit, wennn er vermutet, Abrasax sei eher ein »word of power« als ein Name. Das Zeugnis der Zauberpapyri beweist, daß Abrasax der Name eines Gottes ist (Preisendanz, Index 212). Nach Ausweis der Amulette ist es auch ein Name des Hahnenköpfigen. Sucht man jedoch nach seinem Hauptnamen, so muß es das häufiger und, durch die Anbringung auf dem Schild, enger mit ihm verbundene IAW sein. Eine Zählung der aus der Gesamtmenge der publizierten Stücke beliebig herausgegriffenen Beispiele bei Bonner, Philipp und in Wien ergab für 28 Exemplare 24 Ιαω- Inschriften (davon 3 kryptisch) gegenüber 11 Ἀβρασάξ-Inschnften. Die Häufigkeit von Ιαω betont schon Chifletius (a. O. 58).
Gegen den Vorschlag, Ιαω als Name des Gottes zu interpretieren, wandte
Bonner 134.f ein, daß die Schildaufschrift, wie ein Schildzeichen, rein apotropäischen Charakter haben könne, der Name Ιαω auch in Verbindung mit anderen magischen Darstellungen vorkomme. Philonenko, a. O. 299f. weist jedoch darauf hin, daß Jahwe an zahlreichen Stellen des AT »mein Schild« genannt wird und erschließt daraus überzeugend, daß der Hahnenköpfige Ιαω (Jahwe) ist. In Analogie zu den Chnubis-Amuletten ist anzunehmen, daß der am häufigsten mit dem Hahnenköpfigen verbundene Name auch sein Hauptname ist, also Ιαω.
F. M. und J. H. Schwartz vermuten in Anlehnung an Barb ein hebräisches Wortspiel in der Gestalt, sie deuten sie als Erzengel Gabriel, dessen Name »Gott ist mächtig«, »Held Gottes« bedeutet, aber auch »Hahn Gottes« gelesen werden konnte: Der Name Gabriel kommt jedoch nur ausnahmsweise und in Verbindung mit anderen Erzengelnamen auf einem Amulett mit Hahnenköpfigem vor (
hier Nr. 2236 /CBd-2480/). Gegen die Deutung des Hahnenkopfes als Wortspiel und für jene als Sonnenvogel spricht, daß an die Stelle des Hahnenkopfes der des Sonnenlöwen treten kann (vgl.
Nr. 2230 /CBd-2474/).
Zur Giganten-Frage, s.
hier zu Nr. 2240 /CBd-2484/. Zu Horus - Agathos Daimon insbesondere hier Nr.
2229 /CBd-2473/ und
2241 /CBd-2485/, auch Nr.
2195 /CBd-2438/,
2222 /CBd-2466/. Zum Motiv auf Gemmen ferner: Neverov, Mag. 833ff. Nr. 1–9 Taf. 167–168. Age of Spirituality Nr. 281. Auktion Sternberg X 1980 Nr. 784; XVII 1986 Nr. 808. Chadour - Joppien II Nr. 98, 99 (Bronzeringe). Zazoff, HdArch. 349 Anm. 61 Taf. 113, 7; 114, 1. 2. Würzburg Nr. 851, 853. Spätantike und frühes Christentum Nr. 159 (Mainz, Röm. Germ. Mus.). Zu b: Vgl. Index »Inschriften, magisch«.