The CBd
Zwierlein-Diehl, AGWien III on CBd-2191
Inv. IX B 1260. Chalcedon-Achat; eine dicke hellgraue, durchscheinende Chalcedonschicht, auf einer dünnen durchscheinenden hellbraunen Schicht, die auf Seite b als hellbraunes Oval in hellgrauem Rahmen erscheint. Oben, etwa in der Mitte des Querovals eine Bohrung, die mit einem Metallstift gefüllt ist. Er besteht aus einem Kern von rötlichem Metall (Kupfer?) und einem Mantel von stärker oxydiertem Metall (Bronze?). Der Stift ist von annähernd rundem Querschnitt, in Längsrichtung offenbar konisch: DM auf Seite a 0,60, auf Seite b 0,45. Der Rand stark bestoßen, die Fehlstellen greifen z.T. auf die Seiten über. Form 12c. Schatzkammer-Inv. 1750, 73 Nr. 392. Beschr. 1816 II 411, 14. SK. 448 Nr. 1260.
6,10 x 4,77 x 1,48
16. Jh.
Ein ungewöhnlich großes, sorgfältig geschnittenes, durch den eingefügten Metallstift besonders zauberkräftiges Amulett.
Seite a: Ein Uroboros als Rahmen, der Kopf (über dem Metallstift) ist beschädigt, ebenso der Schwanz. Hermes und Anubis, einander gegenüberstehend, jeder mit eng geschlossenen Beinen auf einer eigenen kurzen Grundlinie. Hermes mit eng anliegender Kappe und zwei hochstehenden Zipfeln als Flügel, in kurzem Schurz. Er hält mit angewinkelten Armen in der Rechten zwei Ähren, in der Linken ein von einem Vogel mit gebogenem Schnabel, einem Falken, bekröntes Szepter. Anubis, mit aufwärts gerichtetem Schakalkopf und geöffnetem Maul trägt ebenfalls einen Schurz. Er hält die Arme gesenkt, in der Rechten eine Kanne in der Stellung des Ausgießens, in der Linken eine brennende Fackel mit kurzem, durch einen Querstrich von der Flamme abgesetztem Griff. Rechts von der Fackel eine rauhe, bestoßene Stelle.
Zwischen beiden Göttern eine sorgfältig geschriebene dreizeilige Inschrift: Ιαω / φερεν / φερω, vermutlich: Ιαω φέρ᾽ ἕν, φέρω »Iao, bring’ eines (das Eine)!« »Ich bringe es«.
 
Seite b: »Charakteres« in drei Zeilen, zum Teil aus Zodiakalzeichen und Buchstaben bestehend. Z. 1: Beta linksläufig, Chi mit Kreisenden, Taurus, Charakter, Satumus, Sagittarius (Pfeil nach oben). Z. 2: Epsilon linksläufig, Charakter, Kreis, Zeta linksläufig, Charakter, Neptunus (Dreizack, kopfstehend). Z. 3: Charakter, Leo (kopfstehend), Charakter, Sol, Charakter. Vermutlich sollen Z. 2 und 3 kopfstehend gelesen werden, dann stehen die Zeichen Neptunus und Leo aufrecht.
 
Publ.: Macarius - Chifletius 94f. Taf. 12, 46 /CBd-2819/ (hier Abb. 10), mit der Quellenangabe: »Ectypum Io. Georgii Hervvartii«, also nach einem Abdruck im Besitz von Io. Georgias Herwartius, d.i. Hans Georg Hörwarth (Herwart) v. Hohenburg (1553-1622). Die Abbildung nach der Zeichnung von Iacobus Werdius, d.i. Jacques van We(e)rden, entspricht dem Seitensinn des Originales. PACT. 23 Abb. 22, 23.
Vgl.: Terminus ante quem ist das Todesjahr von Hans Georg Hörwarth, 1622, vgl. NDB. 8, 722ff. Die steife Haltung der Götter soll ägyptisch wirken. Sieht man hiervon ab, so scheint aufgrund der Körperproportionen und -modellierung eine Datierung in das 16. Jh. wahrscheinlich. Man vergleiche etwa Werke von Valerio Belli wie Kris Nr. 211, 214.
Zu a: Der Uroboros wurde richtig als Symbol des immer wiederkehrenden Jahres, bzw. der Ewigkeit verstanden: Cartari 11, 12, 14. Chifletius bringt Belege für die Gleichsetzung von Hermes und Anubis; vgl. auch 135 zu Abb. 115 /CBd-2867/ (Anubis), 116 /CBd-2868/ u. 117 /CBd-2869/ (Mercur); Cartari 177. Ähren und Falkenszepter sind keine Attribute des antiken Hermes-Mercurius. Sie kennzeichnen die Identität des Mercur mit Apollo, Sol und Horus, die man aus antiken Texten und Darstellungen erschloß; Horus = Sol = Apollo, s. Chifletius 89, unter Berufung auf Macrobius (sc. Sat. 1, 21, 13); Mercur = Sol = Apollo, s. Chifletius 94. Als Beispiel für die Methode seien die Bemerkungen zu den Hügeln des Mercur an der zuletzt genannten Stelle referiert: sic werden als Zeichen der Geschwindigkeit (velocitas) des Sol gedeutet, da ferner Mercur große Vernunft (mens) besitze und da Sol die Weltvemunft sei (»Sol mundi mens est«), weiln nach Homer die Geschwindigkeit der mens am größten sei, darum sei Mercur durch die Flügel gleichsam mit der Natur des Sol geschmückt. Ähren hält ein numen mixtum aus Apollo, Sol und lupiter: Cartari 25, zum Zeichen seiner fruchtbringenden Wirkung. Der Falke galt aufgrund von Od. 15, 525f. als Attributtier des Apollo, vgl. Cartari 31 (Abb), 32f; doch ist das Falkenszepter hier wahrscheinlich in erster Linie auf die Horus-angleichung zu beziehen (Vorschlag von G. Platz-Horster, s. PACT 23 Anm. 38). Die Form des Szepters ist abgeleitet von antiken Darstellungen wie Philipp Nr. 141 /CBd-224/ (Anubis mit Widder?-Szepter) oder Bonner Nr. 379 /CBd-1530/ (Gott mit Vogelszepter); vgl. Macarius - Chifletius Taf 13, 50 /CBd-2823/, 51 /CBd-2824/. Szepter dieser ägyptisierenden Art waren offenbar beliebt: Juno mit Kuckucks-Szepter: Cartari 101.
Die Attribute des Anubis stehen den antiken Vorbildern näher: Die Kanne entspricht der Situla, vgl. hier III Nr. 2201 /CBd-2444/, 2202 /CBd-2447/. Die Fackel ist wahrscheinlich eine Umdeutung des Schwertes, das Anubis gelegentlich hält: Bonner, Hesperia 10, 321f. Nr. 8 /CBd-423/ Taf. 96. Philipp Nr. 141 /CBd-224/, in Analogie zu Fackeln in der Hand anderer »magischer« Götter wie Hekate, vgl. hier III Nr. 2182 /CBd-2425/, 2183 /CBd-2426/. Chifletius bemerkt zu der nicht antiken Gemme Taf. 13, 55 /CBd-2828/, daß Anubis-Mercurius mit der Fackel die erlösten Seelen aus der Unterwelt emporführe. Die erhobenen Arme des Mercurius-Apollo-Sol-Horus, die gesenkten des Anubis spielen wohl auf die Vorstellung an, daß der mit Sol-Apollo verbundene zweigestaltige Gott sowohl über Ober-, wie Unterwelt, Sommer-, wie Winterhemisphäre herrsche (Macarius - Chifletius 94, 100). Zur Inschrift: Den Lesungsvorschlag für Z. 2 verdanke ich A. Dyck. Die Zauberworte zwingen den Gott Iao in den Dienst des Amulettinhabers. Die zentrale Bedeutung des Iao war bekannt, vgl. Macarius in: Macarius - Chifletius 26.
Zu b: Chifletius hält die Zeichen für koptisch. Im Gesamteindruck ahmen sie die Charakteres magischer Inschriften nach, Hauptbestandteil sind jedoch Zodiakal- und Planetenzeichen. Sie sind in dieser Form nicht für die Antike belegt, vgl. hier zu Nr. 2698 /CBd-2192/. Das Ganze macht den Eindruck eines Horoskops. Ich nehme daher an, daß der Stein nicht als Fälschung, sondern in Anlehnung an antike magische Gemmen als persönliches Amulett geschnitten wurde.
 
Last modified: 2017-03-30 18:27:01
Link: cbd.mfab.hu/pandecta/2610

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