S. Michel, Die Magischen Gemmen im Britischen Museum, 2001, 86-87, no. 133.
Hämatit, poliert. Hochformatig rechteckig, Vs. flach, Rs. leicht konvex, Rand gerade, Kanten abgerundet. Links abgebrochen, Abspliß am oberen Rand.
3,9 x 2,65 x 0,6
3. Jh.n.Chr.
Von George Eastwood, Esq. (1864), ehemals Sammlung Praun und Mertens.
Brit. Mus. Inv. G 139, EA 56139.
Vs.: Auf einer schmalen Grundlinie ein aedicula- oder porticusähnlicher Aufbau aus zwei mit Schräglinien gerippt gemusterten Säulen, deren Basis doppelt gekerbt erscheint. Die Kapitelle - floral wie die korinthischen - werden von einer Bogenlinie miteinander verbunden, von der ebenfalls kurze Schrägkerben abstehen. Unter dem Bogen oben zwei kleine fliegende Eroten, die einander zugewandt einen Kranz über die zentrale, statuarische Figur der Aphrodite Anadyomene halten. Die Göttin steht im Kontrapost, das angewinkelte linke Bein berührt die Standlinie nur mit den Zehen, die rundliche Hüfte schwingt nach rechts aus. Aphrodite ist unbekleidet, zwei kugelige Rundungen als Brust. Mit beiden angewinkelt erhobenen Armen faßt sie in das lange Haar, um es auszubreitend zu trocknen. Das Profil ist flüchtig und grob, nur Νase und rundliche Kinnpartie sind erkennbar, auf dem Kopf wohl eine Krone als kleine Kerbe (Isis). Zu ihren Füßen links streckt ihr ein weiterer geflügelter Eros in Schrittstellung einen Spiegel entgegen, rechts von ihr eine Oinochoe. Im freien Feld links unten beginnend:
APWΡIΦ
Rechts, senkrecht von oben nach unten:
PACΙC
->Arôriphrasis
Rs.: Umgeben von Tieren Harpokrates auf dem Lotus in der Barke, die mit einer von kleinen Parallellinien durchzogenen, mondsichelförmigen Kerbe entworfen ist. Am Lotusstengel im Boot vier parallel abzweigende Knospen, der halbkreisförmige, tiefe Blütenkelch ist mit Senkrechtlinien gestrichelt und schließt mit einer Querkerbe ab. Darauf Harpokrates frontal mit einem angezogenen und einem gestreckten Bein. Der Knabe ist unbekleidet, Geschlechtsteile und Muskulatur sind nicht angegeben. Der linke Arm ist angewinkelt in die Seite gestemmt, durch die Armbeuge ein Flagellum geschoben, der rechte angewinkelt erhoben, die Hand in Richtung Mund geführt. Das Profil ist nur flüchtig mit Nase und Kinn bezeichnet, Frisur ist angedeutet, auch die Jugendlocke, auf dem Kopf eine Krone. Die Darstellung wird von Tiergruppen gerahmt: oben drei Skarabäen in Aufsicht, rechts senkrecht untereinander drei Ibisse (zusätzlich), darauffolgend drei Ziegenböcke, drei Uräusschlangen, drei Krokodile und drei Falken. Im freien Feld, um Harpokrates verteilt, sieben achtstrahlige Sterne, oben Inschrift in zwei Reihen:
IAWA
ΒPACAΞ
->Iaô, ->Abrasax
Die in einem rokokohaften Szenario von Eroten umgebene Aphrodite Anadyomene ist häufiger mit dem Motiv „Harpokrates auf dem Lotus” bzw. „im Kreis der Tiere” kombiniert, meist handelt es sich um Liebesztuberamulette. Ein in Material, Form und Motiv vergleichbares Amulett zeigt innerhalb eines ähnlichen Architekturaufbaus anstelle von Aphrodite die häufig mit ihr synkretisierte, in der magischen Vorstellung ebenfalls für Liebesangelegenheiten zuständige Göttin Nemesis mit Greif und Rad. Daß auch das Motiv „Harpokrates auf dem Lotus” im Bereich des einfachen Liebeszaubers eine Rolle spielte, wird auf den Gemmen durch Kombination mit Aphrodite (Anadyomene) oder durch Nennungen ihrer Namen deutlich (->Arôriphrasis). Ebenso belegen auch die magischen Papyri das Motiv im Bereich des Liebeszaubers.
Kleinteilig und sauber gearbeitet, detailliert die Tiere auf der Rückseite. Raumnutzung und Proportionen sind sehr gut, auch die Bewegungen sind geglückt. Insgesamt eine qualitativ hochstehende Arbeit.
Publ.: KING, GNOSTICS (1864) 211 Taf. 5, 1; KING, GNOSTICS 438 Taf. Ε. 2; E.A.W. BUDGE, The Mummy 2 (1925) 330 Taf. 24; BΟΝNER
144 Anm.29,
196 Anm.40; GOODENOUGH II 275 Anm.484, III 1158.
Lit.: Zum Motiv der Vs.:
76 /CBd-476/(Lit.). - Zum Motiv der Rs.:
125 /CBd-525/(Lit.). - Zu Harpokrates auf dem Lotus bei Liebeszauber: BETΖ/PRΕISENDANΖ, PGM LXI 31ff.
Vgl.: Zu Material, Form und Motiven: Hämatit STERNBERG, AUKTION 23, 1989, 70 Nr. 234 (Nemesis). - Zum Motiv der Vs.:
76 /CBd-476/ (Vgl.)
–82 /CBd-482/ (mit Eros). - Zum Motiv der Rs.:
125 /CBd-525/ (Vgl.)
130 /CBd-530/. - Zum versetzten oder abgeänderten Tierkreis: Schwarzer Jaspis DΕLATTE-DERCHAIN 117f. Nr. 150; Hämatit PHILIPP, BERLIN
78f. Taf. 25, 104 /CBd-2078/; Grüner Jaspis
SKOLUDA 61 /CBd-1609/, STERNBERG, AUKTION 19, 1987, 48 Taf. 13, 317; Grüner Jaspis und unident., grün BONΝΕR
287f. Taf. 10,
207 /CBd-1066/.
209 /CBd-1400/; Hämatit STERNBERG, AUKTION 23, 1989, 70 Nr. 234; Hämatit SCHWARTZ (1979)
171 Taf. 36, 26 /CBd-1773/. - Zu Harpokrates auf Lotus mit ->Arôriphrasis kombiniert: Grüner Jaspis BONNER
285 Taf. 9, 194 /CBd-1389/. - Zu Harpokrates auf dem Lotus im Liebeszauber:
109 /CBd-509/,
134 /CBd-534/,
135 /CBd-535/.