S. Michel, Die Magischen Gemmen im Britischen Museum, 2001, 88, no. 135.
Lapislazuli, matt. Hochoval, Vs. flach, Rs. konvex, Kante abgerundet. Abgerieben. Ringstein.
1,9x 1,5 x 0,4
3. Jh.n.Chr.
Gekauft νon Ms. Harris (1875).
Brit. Mus. Inv. G 309, ΕA 56309.
Vs.: Auf einer kurzen waagerechten Grundlinie im Profil nach links Harpokrates auf einer Gans reitend. Naturnah sind große Gänsefüße angedeutet, viele kleine Kerben als Gefieder über den Vogelkörper verteilt und ein ovales Auge sowie ein flacher, länglicher Schnabel ausgearbeitet. Mit angewinkeltem Bein sitzt Harpokrates auf der Gans, der Fuß ist durch eine kleine Schrägkerbe dargestellt. Das Kind ist unbekleidet, Muskulatur nicht angegeben. Die Hand ist zum Mund geführt, so daß die Finger die Lippen berühren. In der angewinkelt eng am Körper gehaltenen Linken ein Flagellum. Das Profil nur schemenhaft mit großer Nase, Mund und Kinn bestimmt, im Nacken ausschwingend die Jugendlocke, über dem Kopf schwebt der Sonnendiskus.
Rs.: Queroval. Inschrift in zwei Reihen:
KPA
TΟΥAΘ
->Kratouath
Als Hieroglyphe hat die Gans (s3) die Bedeutung Sohn, die hieroglyphische Schreibung Gans mit Sonnenscheibe war einer der königlichen Τitel (s3 Rc, „Sohn der Sonne”), So daß sich das Bild als „Harpokrates, Sohn der Sonne” lesen ließe. Weiterhin galt in griechischer Zeit die Gans als das Tier des Harpokrates, der wiederum als „kindlicher” Schelm mit dem griechischen Eros identifiziert wurde. Die Gans - ursprünglich Tier des all-befruchtenden Sonnengottes Amun Ra (auch „Amun Ra - die große Liebe” genannt) - war dagegen als Sinnbild der Liebe und Zeugungskraft bekannt. In Zypern diente sie als Opfertier der Aphrodite, und auch im Liebeszauber spielte sie eine Rolle, da Zunge und Fett als Aphrodisiakum verwendet wurden. So ist einerseits durch den Horus/Eros-Aspekt und andererseits durch die Gans selbst ausgedrückt, daß es sich um ein AmuIett aus dem Bereich des Liebeszaubers handelt. Auch das Material Lapislazuli ist schlüssig, da es meist für amulette mit dem Motiv der aphrodite anadyomene verwendet wurde, die ebenfalls mit Liebeszauber assoziiert wird. Das auf der Gans reitende Kind ist besonders in Kunstgattungen wie Terrakotten und Kleinbronzen ein weit verbreitetes Motiv.
Zwar schemenhaft, aber charakteristisch dargestellt, so daß Details nicht unbedingt nötig sind. Die Gans ist naturnah wiedergegeben, das Kind etwas flauer, ohne Binnenzeichnung oder Details (Muskulatur). Etwas nach links versetzt, vermittelt die Gans in ihrer Körperhaltung in der Tat den Eindruck eines watschelnden Vogels.
Publ.: BONNER
144 Anm.24 und
198 Anm.65.
Lit.: Zur Gans: O. KΕLLER, Tiere des klassischen Altertums in culturgeschichtlicher Beziehung (1887) 288ff.; HOPFΝER, TIERKULT 122ff. (Quellen). - Zum Motiv: W.BRASHEAR, in: RAC XVI (1994) 574ff. s.v. Horos; ZWIERLEIN-DIEHL, KÖLN 62 zu
Νr. 7 /CBd-1945/. - Ζu Harpokrates/Εros: BETΖ/PREISENDANΖ, PGM IV 1785ff.;
BONNER 35; WORTMANN, TEXTE 77; MERKELBACH, ABRASAX 22, 58, 77.
Vgl.: Ζu Material, Motiv und Inschrift: Lapislazuli BONNER
289 Taf. 10, 214 /CBd-1403/; Lapislazuli RIDDER, DE CLERCQ COLL. 768 Νr. 3449 (ohne Abb.). - Ζu Motiv und Material: Lapislazuli BONNER
289 Taf. 10, 215 /CBd-1404/; Lapislazuli BERRY-COLL. 87 Νr. 159; Lapislazuli ZWIERLEIN-DIEHL, KÖLN
62 Taf. 5, 7 /CBd-1945/. - Zum Motiv: Grün-brauner Jaspis ZWIERLEIN-DIEHL, KÖLN
61 Taf. 5, 6 /CBd-1944/; Terakotten GÖTTER, GRÄBER UΝD GROTESKΕN, Ausstellungskatalog Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg (1991) 51 Abb. 26.27.