The CBd
Michel, BM on CBd-646
S. Michel, Die Magischen Gemmen im Britischen Museum, 2001, 152, no. 248.

Hämatit-Fragment, poliert. Hochoval, beiderseits flach, Rand nach hinten abgeschrägt, Kante abgerundet. Schräg durch die Mitte abgebrochen.

3,6 x 3,1 x 0,4
2./3. Jh.n.Chr.
Gekauft von C. Schmidt, Esq. (1868).
Brit. Mus. Inv. G 243, EA 56243.

Vs.: Εin durch eine waagerechte Grundlinie in zwei Segmente geteiltes Bildfeld. Oben, nur noch bruchstückhaft erhalten, die Darstellung einer frontal gezeigten Quadriga mit einem mit Kreuzmuster geschmückten Wagenkasten und zwei ebenfalls frontal gezeigten Rädern. Der Wagenkasten wird von einer halbkreisförmigen Linie überspannt (Plane?) und in der Mitte durch eine Senkrechte für die frontal gezeigte Deichsel geteilt. Vier Pferde sind antithetisch links und rechts des Wagens angeordnet, von dem linken Paar sind nur Beine und Ηinterteil sowie der Bauch des vordersten Τieres erhalten. Die Pferde stehen mit erhobenem Vorderhuf pseudoperspektivisch nebeneinander, so daß sich ihre Körper größtenteils decken und durch Zurückwenden des Kopfes beim jeweils vorderen Τier auch Brust, Hals und Kopf des hinteren Pferdes zu sehen sind. Das Zaumzeug ist kleinteilig ausgeführt, sogar Troddeln, die auf die Brust herabhängen, sind zu erkennen. Sehunbar über dem Wagen schwebend eine menschliche Figur, von der nur die frontal gezeigten Beine sowie der linke Αrm mit Globus erhalten sind. Doppelkerben über den Knöcheln geben Schuhe an, Knie, Geschlechtsteile und Bauchnabel sind kleinteilig mit winzigen Querkerben und Punkten bedacht, über die Armbeuge ist eine Chlamys geworfen. Die nicht erhaltene Rechte hielt ursprünglich einen senkrecht nach unten hängenden, beblätterten Zweig. Links neben der Figur ein winziges „Strichmännchen” mit versetztem Spiel- und Standbein und grüßend erhobener Linken. Eine doppelt gekerbte Senkrechte an der linken Bruchlinie über dem Pferdeschwanz der verlorengegangenen Τiere weist auf den beschuhten Fuß einer weiteren, nicht mehr erhaltenen Figur hin. Im unteren Segment des Steines eine männliche und eine weibliche Figur einander zugewandt, jeweils auf einem Krokodil liegend. Bude Figuren sind mit einem langen Schurz bekleidet, Stoffalten sind angedeutet, die Oberkörper nackt. Kleinteilig sind Νabel, Brustwarzen und Brust angegeben. Die linke männliche Figur ist bärtig, das lange Haar scheint lockig gedacht, auf dem Kopf zwei Kerben als Krone. Die weibliche Figur hat einen Haarwulst um den Kopf, im Nacken ein Knoten (?), auf dem Kopf ebenfalls zwei kleine Kerben. Die Figuren liegen auf einen Arm gestützt, durch dessen Beuge je ein großes Füllhorn geschoben ist, mit dem jeweils gestreckten anderen hält der Mann einen Zweig mit Blättern, die Frau eine flache Schale. Im freien Feld, um die beiden Hauptpersonen verteilt, sechzehn kleine, silhouettenhafte Figuren mit dreieckigen Körpern, linearen Beinchen und Ärmchen sowie kugeligen Köpfchen, Stäbe haltend oder die Hand wie im Gruß erhebend.

Rs.: Reste einer weiblichen Figur im Hüftmantel frontal auf einer Grundlinie stehend - Aphrodite. Der Oberkörper scheint nackt, ein Tuch ist wulstig um die Ηüfte geschlungen, dann eng um die Beine geführt und fällt unten in senkrechten Falten. Das rechte Spielbein zeichnet sich unter dem engen Rock ab, vom Standbein ist der nackte Fuß mit angedeuteten Zehen sichtbar. Der rechte Arm ist angewinkelt erhoben, die Hand mit einem nicht mehr zu identifizierenden Attribut ist auf die Brust gelegt, am Handgelenk ein Armreif. Die ebenfalls mit einem Armreif geschmückte Linke ruht mit überlangen ausgestreckten Fingern auf dem Unterleib. Rechts streckt Eros als unbekleideter, geflügelter Knabe der Göttin mit der erhobenen Rechten einen kleinen Spiegel entgegen.

Das nur in Resten erhaltene Bild des oberen Segmentes der Vs. entspricht motivisch der in der romischen Kaiserzeit verbreiten Darstellung „Ηelios frontal auf der Quadriga mit antithetisch angeordneten Pferden”. Die Attribute Kugel (Granatapfel) und Zweig sowie die kleine Figur im Wagen erinnern dagegen an durch Münzen überlieferte Darstellungen der Kultstatue des Harpokrates von Pelusium. Das untere Bildsegment der Vorderseite visualisiert ein während der römischen Kaiserzeit ebenso geläufüges Thema: der Νil(gott), umgeben von 16 Eroten, als Sinnbild der eine gute Ernte gewährleistenden und daher erwünschten Nilhöhe von 16 Ellen. Das Motiv scheint hadrianischer Zeit zu entstammen und auf ein Gemälde zurückzugehen, doch ist ebenso an die bekannte Großplastik der Vatikanischen Museen zu denken: Vater Νil mit den 16 Νilkindern. Nach Plinius (ΝH 36, 58) habe auch die Νilstatue Vespasians (70 n. Chr.) als Andeutung auf den absoluten Höchststand der Νilüberschwemmung den Νilgott in Gesellschaft von sechzehn spielenden Kindern gezeigt. Auf Münzen ist das Motiv erstmals auf einer Münze Domitians faßbar, die man auf das Jahr 3 nach dem Regierungsantritt Domitians datiert. Dem Νil als Begleiterin zur Seite gestellt ist Εuthenia, die der romischen Abundantia entsprechende Verkörperung des blühenden Zustandes, des Überflusses und der Fülle. Ihr Kopfschmuck würde - wie auf Münzprägungen des Hadrian oder Antoninus Pius erkennbar - Uräusschlange und Ähren repräsentieren. Auch die auf der Rückseite der Gemme in Begleitung von Eros gezeigte Aphrodite ist aufgrund ihres lunaren Charakters ein Sinnbild für Feuchtigkeit und Fruchtbarkeit.

Kleinteilig und sorgfältig geschnitten. Trotz der enormen Fülle an Bildelementen sind selbst kleinste Details bedacht. Die Raumnutzung, insbesondere auf der Vorderseite, ist optimal. Die perspektivischen Anforderungen sind durch Pseudoperspektive gelost. Rundaushöhlungen, Flächenglättungen und Linienführung halten sich die Waage - der Schnitt ist meisterhaft souverän. Εs entsteht ein Gesamteindruck von Anmut (Haltung der Pferde), Eleganz und Würde (lagernde Figuren), die spielerisch hüpfenden Eroten (Amoretten, Putten) als Personifikation der Nilfluten sind geradezu rokokohaft, der Stein ist jedoch antik.

Lit.: Zu Harpokrates von Pelusium: C. BONNER, Harpokrates (Zeus Kasios) of Pelusium, Hesperia 15, 1946, 51ff. Taf. 12; BONNER 119 Anm. 60 (Lit.), 289 zu Nr. 217 /CBd-1406/. - Zum Nilmotiv: Μ. GÖRG, Νeilos und Domitian, ein Beitrag zur spätantiken Nilgott-Ikonographie, in: Ägypten und Altes Testament 14, 1988, 65ff. - Zum Gespann: 244 /CBd-642/(Lit.).

Vgl.: Zu Helios in der Quadriga: Grüne Jaspisse DELATTE-DERCHAIN 218 Nr. 295.296; Grün-rot-gelber Jaspis und Heliotrop BONNER 282 Taf. 8, 174 /CBd-1059/, 291 Taf. 11, 227 /CBd-467/; Roter Jaspis D. BENEA - A. SCHIOPU - N. VLASSA, Un mormînt gnostic de la Dierna, ActaMusNapoca 11, 1974, 116 Abb. 2. - Zu Harpokrates von Pelusium: Kalkstein, Glas, schwarz und schwarzer Jaspis BONNER 289f. Taf. 10, 218 /CBd-1407/.219 /CBd-1408/.219Α /CBd-1408/. - Zum Nil: 110 /CBd-510/. - Zum Nil auf Münzen: D.Ο.Α. KLOSE - B. OVERBECK, Ägypten zur Römerzeit, Ausstellungskatalog Staatliche Münzsammlung München (1989) 38 Nr. 108 (Hadrianische Drachme), 39 Nr. 110 (Antoninus Pius, Drachme). - Zum Motiv der Rs.: 82 /CBd-482/, 133 /CBd-533/.
Last modified: 2015-10-04 23:50:11
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