S. Michel, Die Magischen Gemmen im Britischen Museum, 2001, 158, no. 257.
Dunkelgrüner Jaspis, poliert. Queroval, beiderseits flach, Rand nach hinten abgeschrägt, Kante nach vorn. Minimale Absplisse ringsum an der Kante. Ringstein.
1,8 x 2,4 x 0,4
3. Jh.n.Chr.
Gekauft von Fa. Rollin & Feuardent (1869).
Brit. Mus. Inv. G 255, ΕA 56255.
Vs.: Ein Löwe mit Reiter auf einer Grundlinie im Profil nach links schreitend. Die Pranken des Löwen sind kugelig verdickt, stellenweise ist Fell durch kurze Kerben angezeigt, etwa am vorderen Bein und entlang der Brustkontur. Die Mähne ist mit parallel gesetzten Kerben und Linien entworfen. Der Unterkiefer des Tieres ist flach und als ovale Kerbe gezeigt, der Oberkiefer rundlich und wuchtig, die längliche Nase endet in einer ebenfalls ovalen Kerbe, und auch das Auge besteht aus einer solchen. Der Schwanz ist in mehreren Bögen nach oben geschwungen und endet in einen mit drei Kerben angedeuteten Schlangenkopf. Auf dem Rücken des Löwen Eros, den Kopf umwendend und zu der Schlange zurückblickend. Am Rücken angesetzt ein kleiner, nach oben geschwungener Flügel mit nur grob bezeichneten Schwungfedern. Kleidung oder Geschlechtsteile sind nicht angegeben, Profil und Haar flüchtig geschnitten. Die Linke scheint die Mähne des Löwen zu fassen, die angewinkelt erhobene Rechte trägt eine Peitsche, deren Schnur über dem Kopf des Knaben schwingt. Im freien Feld links ober- und unterhalb des Löwenkopfes zwei achtstrahlige Sterne.
Rs.: Inschrift in drei Reihen:
ΠΥPOΙOI
IAW
ΜΟΥIΣPW
Zu lesen als ΠΥPOΕΙC IAW ΜΟΥI ΣPW, „Planet Mars”, →Iaô, „Löwe, Widder”
ΠΥPΟIΟI läßt sich nach Bonner als Verschreibung oder korrupte Form von πυρόεις (feurig, ὁ πνρόεις, „Planet Mars”) lesen. Auf dem bekannten Relief von Nemrud Dagh, das einen Löwen zeigt und die Planetenkonstellation vom 7. Juli 62 v. Chr. fixiert, ist der Planet zusammen mit Stilbon (Mercur) und Phaethon (Jupiter) als Stern dargestellt und inschriftlich benannt. CPW ist ein Dekan, Von dem es in den Papyri heißt, er säße der Dekanmelothesie entsprechend auf dem Kopf des Kosmos und entscheide von dort aus alles (BΕΤΖ/PRΕISEΝDAΝΖ, PGM IV 1011). Mit der Bedeutung „Bock, Widder” erschien Srô in vorgriechischer Zeit als Name für den zweiten Dekan des Steinbocks, in griechischen Horoskopen als Bezeichnung für den ersten Dekan des Widders. Erweitert um die Worte CΕPΠΟYT für Lotus und ΜΟYI für Löwe wird CPW Bestandteil eines Namens für Harpokrates: „Lotus, Löwe, Widder” umschreibt den Sonnengott am Morgen, Mittag und Abend. Auffällig ist die Schreibung CPW mit eckigem Sigma. Die beiden Ζ-ähnlichen Ζeichen, die das Wort IAW rahmen, sind als Trennstriche oder →Charakteres zu werten.
Das Löwenbild ist mit zwei Sternen als astrologisches Βild charakterisiert, was auch durch die Planeten- und Dekannamen auf der Rs. unterstrichen wird. Die Raubkatze dient weiterhin als Reittier für Eros, mit dem der junge Sonnengott Harpokrates identifiziert Wurde. Zusammen mit der Inschrift der Rückseite (Löwe-Widder) wäre auch an Harponknouphi zu denken, den Agathosdaimon, der Chnum (Widder) und Harpokrates (Löwe) in sich vereinigt. Das Motiv des auf dem Löwen reitenden Eros ist zwar in der römischen Glyptik geläufig, kommt auf magischen Gemmen jedoch eher selten Vor. Der vorliegende Ringstein ist durch die Inschrift der Rs. als magisches Amulett charakterisiert, wobei diese möglicherweise erst später eingraviert und der Stein dadurch adaptiert worden sein könnte.
Der Schnitt wirkt zwar sorgfältig, ist jedoch ungenau und flüchtig angelegt. Die Figuren sind silhouettenhaft, nur die Mähne des Löwen ist mit Binnenzeichnung Versehen, Details fehlen. Raumnutzung und Bewegung sind trotz der in den Armen und der Hüfte verschnitten wirkenden Haltung des Eros geglückt. Auffällig ist das Einsetzen von minimalen Rundungen und Ovalen (Löwengesicht, Fuß und Hand des Eros) neben Flächen und Linien.
Publ.: BONNER
200 Anm.78.
Lit.: Zum Motiv: BONNER
150;
253,
255. - Zur Inschrift:
BONNER 200; BETΖ/PREISENDANΖ, PGM VII 499, XXXVI 351, ferner IV 2094 (CΡW);
hier 495 /CBd-853/(Lit.). - Zum Dekan Sro: GUNDEL, WELTBILD 23. - Ζu Pyroeis (Mars): GUNDEL, DEKANE 408 (griechisches Horoskop). - Ζu Dekanmelothesie:
304 /CBd-690/(Lit.).
Vgl.: Zum Motiv: Karneol AGHAGUE 368 Taf. 181, 1160; Achat und gelbe Glaspaste AGD I, 3 MÜNCHEN 32 Taf. 202, 2288, 149 Taf. 300, 3079; Violette Glaspaste und Karneol AGD IV HANNOVER 167 Taf. 106, 823, 270 Τaf. 196, 1457; Glas, braun und Karneol AGD III GÖTTINGEN 80 Τaf. 32, 44, 95 Taf. 41, 147 (Vgl.);
hier 258 /CBd-656/. - Ζu Harpokrates auf dem Löwen: Rotbrauner Jaspis BONNER
288 Taf. 10, 211 /CBd-1099/; Onyx RIDDER, DE CLERCQ COLL. 766 Taf. 28, 3444. - Zur Inschrift ΜΟΥI CΡW: Gelber Jaspis in Silberring AGSOFIA 102f. Nr. 290; Gelber Jaspis H.B. WALTERS, Catalogue of the Εngraved Gems and Cameos. Greek, Εtruscan and Roman in the British Museum (1926) 166 Taf. 20, 1515; Braun-grüner Jaspis POINSSOT (1909) 220ff. Abb. 10 (Anguipedes); Lapislazuli-Frgt. DELATTE-DERCHAIN 50f. Nr. 43 (Kompositfigur). - Ζu CΕΡΠΟΥΤ ΜΟΥI CPW:
495 /CBd-853/(Vgl.),
505 /CBd-863/.