S. Michel, Die Magischen Gemmen im Britischen Museum, 2001, 181, no. 289.

Dunkler Hämatit, schwach poliert, in den Vertiefungen matt. Hochoval, beiderseits flach, Rand nach hinten abgeschrägt, Kante abgerundet. Unten großer muldenförmiger Abspliß, weit in das Bildfeld der Vs. reichend sowie Bestoßungen an der Kante rechts oben und unten. Medaillon.

3,25 x 2,9 x 0,5
3. Jh. n Chr.
Von G. Eastwood, Esq. (1864), ehemals Sammlung Praun und Mertens.
Brit. Mus. Inv. G 151, EA 56151.

Vs.: Pantheos frontal auf einem Löwen stehend, die Beine in Schrittstellung im Profil nach links. Das rechte Bein ist angewinkelt auf den Kopf des Löwen gesetzt, das linke ist gestreckt. Die Figur ist unbekleidet, eine Kerbe läuft gürtelähnlich um die Hüften und endet in einen nach rechts unten gerichteten Vogelschwanz. Bauch- und Brustmuskulatur ist durch kurze breite Kerben angedeutet, hinter den Schultern ragen zwei Flügelpaare hervor, die Federn durch parallele Schrägkerben angegeben. Die beiden Arme sind nach außen geknickt, die Hände halten je ein Messer und ein Was-Zepter. Der unförmige Kopf des Gottes ist mit einem maskenhaften Gesicht frontal gezeigt, waagerechte Kerben repräsentieren Lippen, Nase und Augen, drei kurze senkrechte Linien auf dem Kopf die Hehem-Krone. Links des Kopfes eine liegende Mondsichel, rechts ein durch Abspliß verlorengegangener Stern, darunter jeweils ein weiterer, kleiner Stern mit sechs Strahlen. Der Löwe, auf dem der Pantheos steht, schreitet mit kugelig verdickten Pranken im Profil nach links. Der Kopf ist nur schemenhaft mit Mähne und Mähnenbart, das geöffnete Maul mit großem Oberkiefer und kleinem Unterkiefer angegeben, das Auge als breite Kerbe. Unter dem Raubtier, der Komposition als Grundlinie dienend, eine Tabula ansata mit Inschrift in drei Reihen:
Φ...ΞΟΝI
...AΒAW
...ACAΞ
ΦΥΛAΞΟΝ IAW CAΒΑW AΒPACAΞ, „Beschütze, →Iaô →Sabaôth, →Abrasax”
Im freien Feld um die Darstellung spiralartig in fünf Kreisen umlaufend eine Inschrift, die jeweils - senkrecht von unten nach oben laufend - links beginnt und - senkrecht von oben nach unten laufend - rechts fortgesetzt ist:
AΒΛAΝAΘΑΝAΛ.. AAΚPA...Μ..A
in der zweiten Reihe links:
PIΛΕΛΑMC
rechts:
ΕΜΕCIΛAΜ
in der dritten Reihe links:
ΝΙΧAPW
rechts:
ΠΛHΞ
in der vierten Reihe links:
ΜΙΧAΗ
rechts:
AΔWΝ
in der fünften Reihe links:
Λ
rechts:
Ε
→Ablanathanalba, →Akrammachamarei, →Lailam, →Semesilam, →Nicharôplêks, „Michael”, →Adônai

Rs.: Im Zentrum der Darstellung ein Löwe mit Reiter im Profil nach links über eine schemenhaft dargestellte, liegende Figur schreitend. Der Löwe ist entsprechend dem der Vorderseite gearbeitet, der Reiter mit Schrägkerbe am Kopf, Bart und Andeutung der Nase. Vor der Gruppe eine statuarisch stehende weibliche Figur im Profil nach rechts. An dem langen Gewand sind mit Linien Stoffalten angedeutet, ihr rechter Arm ist leicht gebeugt an der Seite gehalten, der linke angewinkelt zum Mund erhoben - Sigé. Im freien Feld zwischen den Figuren eine liegende Mondsichel, rechts neben dem Reiter ein achtstrahliger Stern. Oben Inschrift in zwei Reihen:
IAWC
AΒΑW
Im Segment unter dem Bild Inschrift in drei Reihen:
AΒPΑCAΞΜ
ΙΧAΗAΔW
ΝEIAW
→Ιaô, →Sabaôth, →Abrasax, „Michael”, →Adônai, →Iaô“

Rand: umlaufend eine Reihe nicht transkribierbarer Buchstaben oder →Charakteres.

Das Μotiv des Pantheos auf dem Löwen differiert auf den Amuletten kaum. Auffällig sind die zahlreichen Inschriften und Pseudobuchstaben, die, meist um die Figur verteilt, als ikonographische Elemente zu werten sind. Das Motiv dürfte ursprünglich der hethitischen Kunst entstammen, da die auf einem Tier stehende Figur - erstmals bei Tut Ench Amun belegt (auf Panther stehend) - im Ägyptischen nicht geläufig ist. In Ausstattung und Ausarbeitung ist die Pantheosfigur von dem Bes-Pantheos auf der Kartusche (159 /CBd-557/–170 /CBd-568/) unterschieden, dunkle Materialien wie Hämatit, Obsidian oder Serpentin sowie die Inschriften entsprechen jedoch der Thematik und den nicht zu übersehenden Verdunkelungs- und Μystifizierungsabsichten des geläufigen Pantheosschemas. Wenngleich in der Forschung einerseits ausgehend von einer Beschreibung des phönizischen Εl Kronos bei Philon von Byblos immer wieder auf die motivische Ähnlichkeit des Pantheos auf dem Löwen mit El Kronos hingewiesen wurde, lehnte man andererseits diese Bezeichnung für den Gott auf dem Löwen ab. Unabhängig von der entsprechenden Forschungsdiskussion machen die Gemmenbilder und Inschriften deutlich, daß eine Aion- und Schutzgottheit sowie Schicksalsmacht visualisiert ist, die inhaltlich sowohl dem Βes-Pantheos auf der Kartusche (159 /CBd-557/–170 /CBd-568/) als auch Nemesis sowie den bereits genannten Mischwesen Tutu und Petbe (279 /CBd-665/) entspricht. Ebenso ist sie jedoch aber auch Kronos/Chronos angeglichen und mitunter sogar deutlich als dieser charakterisiert (296 /CBd-682/). Kronos wurde mit dem gleichklingenden Chronos (Zeit) gleichgesetzt und war mit dem Planeten Saturn verbunden. Dieser Planet galt den Ägyptern als Stern der Nemesis, mit deren Greif wiederum Petbe identifiziert wurde. Solche Zusammenhänge und - wie hier - die Kombination mit Motiven, die auf den vorangegangenen Steinen beobachtet wurden, lassen anhalte vermuten, die mit denen der bereits erläuterten Amulette einhergehen (277 /CBd-663/, 278 /CBd-664/, bes. 279 /CBd-665/–288 /CBd-674/).

Flache, schemenhafte Wiedergabe des Pantheosmotives, wie es auch die folgenden Steine zeigen. Details fehlen, Schnitt mit Kerben und Kugeln.

Publ.: KING, GNOSTICS (1864) 215f. Taf. 7, 1; KING, GNOSTICS 443f. Taf. Κ, 3; GOODENOUGH II 260 Anm.375, III 1123.

Lit.: Zur Forschungsdiskussion Εl-Κrοnos/Bes-Pantheos: KING, GNOSTICS (1887) 240f.; DELATTE-DERCHAIN 137 Anm.1 zu Nr. 177; A.A. BARΒ, Gnomon 41, 1969, 304; W. FAΙTH, Arbath Iao. Zur mystischen Vierheft in griechischen und koptischen Zaubertexten und in gnostischen oder apokryphen Schriften des christlichen Orients, OrChr 67, 1983, 96ff. Anm.191, 100ff.; ΖWIERLEIN-DIΕHL, KÖLN 20ff. - Ζu Kronos/Saturn/Νemesis: R. PETTAZΖONΙ, Kronos in Egittο, in: Studi in memoria di Ippolito Rosellini I (1949) 275ff.; JACKSON, LION 105f. Anm.86(Lit.); KÁKOSY, RELIGION 2986; ferner 48 /CBd-427/(Lit.). - Ζu Bes-Pantheos: 159 /CBd-557/(Lit.). - Zum Motiv der Vs.: 290 /CBd-676/(Lit.). - Zum Motiv der Rs.: 279 /CBd-665/(Lit.), 280 /CBd-666/(Lit.), ferner 264 /CBd-662/(Lit.).

Vgl.: Zum Motiv der Vs.: Grüner Jaspis DELATTE-DERCHAIN 137f. Nr. 177; Hämatit BONΝΕR 321 Taf. 21, 395 /CBd-1542/; Hämatit SOUTHESK COLL. 175f. N 55 (ohne Abb.); hier 290 /CBd-676/(Vgl.)–295 /CBd-681/. - Ζur Inschrift ΦΥΛΑΞΟΝ/ΦΥΛΑΖΟ ΑΠΟ (ΠΑΝΤΟC) ΚΑΚΟΥ: 290 /CBd-676/–292 /CBd-678/. - Zum Motiv der Rs.: 284 /CBd-670/(Vgl.)–286 /CBd-672/, ferner 280 /CBd-666/–282 /CBd-668/ (Vgl.), 264 /CBd-662/(Vgl.).