The CBd
Michel, BM on CBd-727
S. Michel, Die Magischen Gemmen im Britischen Museum, 2001, 220, no. 350.

Hämatit, poliert. Hochoval, beiderseits flach, Rand nach hinten abgeschrägt, Kante abgerundet. Abspliß längs des linken Randes, kleiner Abspliß auf der Vs. links oben, Absplißecke rechts unten sowie längliche, in den Rand reichende Absplißmulde rechts. Ringstein.

1,7 x 1,2 x 3,3
3. Jh.n.Chr.
Gekauft von Jack Ogden (1986).
Brit. Mus. Inv. G 1986,5-1,30.

Vs.: Uterussymbol innerhalb eines Tierkreises. Der kugelige Uterus ist mit kurzem, verbreitert zulaufendem Hals und zwei reliefiert wirkenden Kerben für den Muttermund geschnitten. Aus vielen kleinen, additiv aneinandergefügten Kerben setzen sich Linien zusammen, die links und rechts am Muttermund nach unten laufen sowie auf der oberen Rundung des Organs fontänenartig abzweigen (Bänder und Tuben). Unter dem Organ ein Schlüssel mit nur drei Zähnen, einem durch eine Senkrechtlinie angedeuteten Haltestiel rechts und einem davon rechtwinklig abknickenden Griff mit zwei kurzen Senkrechtkerben. Rechtsläufig um das Uterussymbol angeordnet: Oben drei Skarabäen in Aufsicht senkrecht nach oben, im Profil nach links drei Ziegenböcke und drei Krokodile darunter, im Profil nach rechts drei s-förmig aufsteigende Schlangen und schließlich drei bekrönte Falken übereinander.

Rs.: Queroval. Inschrift in zwei Reihen innerhalb eines gerippt gemusterten Ouroboros mit Kopf im Profil nach links:
OPWPI
ΟΥΘIAW
→Orôriouth, →Iaô

Ιm Zentrum der Darstellung ein Uterus, in früheren Publikationen häufig mißverstanden und als „vase of sins” beschrieben. Wie hier ist auf den Uterusamuletten meist ein rundlich gewölbtes Uteruscorpus mit einem kurzen Gebärmutterhals (Cervix) gezeigt, breite Abschlußkerben bezeichnen den Muttermund (portio vaginalis cervicis). Linien, die dem Organ oben entspringen, symbolisieren die Eileiter (Tuben), links und rechts parallel schräg nach unten laufende dagegen die Haltebänder (musculus recto uterinus). Das Organ ist meist - wie hier - symbolisch mit einem Schlüssel „verschlossen”, der oft aus sieben, seltener aus sechs oder fünf und weniger Zähnen sowie einem rechts oder links neben dem Uterus senkrecht aufsteigendem Haltestiel mit rechtwinklig davon abstehendem kurzen Griff besteht. Die Siebenzahl der Schlüsselzähne impliziert solare Aspekte, auch ist an die in Ägypten zur Geburt gehörenden sieben Schicksalsgöttinnen (Hathoren) zu denken, die dem Neugeborenen das ihm zugeteilte Geschick verkünden. Der Schlüssel am Gebärmuttermund symbolisiert „Öffnen” und „Schließen”, eine Art Zauber für sichere Geburt sowie Abwehr gegen die verschiedenen Leiden des weiblichen Geschlechtsbereiches. Einerseits kann mit dem „Schließen” - zusätzlich durch das als styptisch geltende Material Hämatit (Blutstein) unterstützt - die zum Abgang führende Blutung gestoppt werden, andererseits muß jedoch die Gebärmutter für die Empfängnis sowie dann für die Geburt zur rechten Zeit geöffnet werden. Die Eileiter dienen häufig als Grundlinie für ägyptische Schutzgottheiten, die in Anzahl und Gruppierung variieren: Chnoubis, Anubis, Isis, Osiris, Nephthys, Chnum, Bes und Horus. Daß sich diese Gottheiten zwar alle mit dem Bereich Schöpfung, Regeneration oder Schutz für Mutter und Kind in Zusammenhang bringen lassen, eigentliche Geburtsgottheiten wie etwa Thoeris jedoch fehlen, mag damit erklärbar sein, daß es sich nicht um Geburtsamulette im eigentlichen Sinne handelt, sondern die Bilder auf den (göttlichen) Uterus und dessen Funktionen als Ursprung des Lebens und somit auch auf den Kreislauf von Werden und Vergehen hinweisen. Dementsprechend ist das Organ - im Kreis der Tiere - motivisch der aufgehenden Sonne, Harpokrates auf dem Lotus, gleichgestellt, dem Symbol für Kosmogonie und Regeneration schlechthin. Zudem ist durch die Aufschrift →Iaô angezeigt, daß das Organ mit dem Gott identifiziert und so selbst als göttliche Macht aufgefaßt wurde. Die göttliche und auch bisexuell gedachte Gebärmutter spielte insbesondere in den gnostischen Kosmogonien eine große Rolle als uranfängliches, kosmisches Schöpfungslicht.

Motivisch interessantes, singuläres Stück. Die ausführung ist schlicht und flach, silhouettenhaft, das Bild jedoch klar und verständlich. Eine miniaturhafte, präzise Ausführung.

Publ.: MICΗEL, AΜΜΜULETTGEMMΕN 387 Anm.15 (erw.).

Lit.: Zur Uterus-Thematik: A. ERMAN, Zaubersprüche für Mutter und Kind, AbhBerlin 1901, 15, 19, 26, 39; BARRΥ (1906) 241ff. zu Taf. 1.2, A; BARB, DIVA MATRIX; WESTENDORF, TΕXTE (A) 144ff.; RITNER, UTERINE ΑMULET 209ff.; AUBERT, THREATENED WOMΒS 421 ff.; ZWIERLEIN-DIEHL, KÖLN 86ff. zu Νr. 23 /CBd-231/27 /CBd-1957/; MICHEL, AMULETTGEMMEN 383. - Zum Schlüssel, Öffnen und Schließen: W. KÖHLER, ARW 8, 1905, 214ff.; A. DELATTE, Amulettes inédites des Musées d' Athčnes, MusBelge 18, 1914, 83ff.; BETZ/PREISENDANZ, PGM LΧII 103ff.; BONNER 85 Anm.28; BARB, DIVA MATRΙX 214 Anm.22.23; RITNER, UTERINE AMULET 214ff., 216f.; AUBERT, THREATENED WOMΒS 425ff., bes. 439 Anm.32. - Ζu den gnostischen Inhalten: BARB, DIVA MATRIX 200ff. - Zum Tierkreis: 125 /CBd-525/(Lit.); WORTMANΝ, ΝILFLUT 73ff. - Ζu den „stγptischen” Steinarten Hämatit und roter Jaspis: PLΙΝΙUS ΝH 30, 130 und 36, 151; BARB, TANTALE 279; BARB, DIVA MATRIX 214 Anm.23; BARB, LAPIS ADAMAS 68ff.; AUBERT, THREATENED WOMBS 441f. Anm.41.42, 435 Anm.22 (Quellen, Lit.), ferner 382 /CBd-753/, 383 /CBd-754/, 385 /CBd-756/(Lit.).

Vgl.: Ζu Material, Uterus-Motiν mit Schlüssel und →Orôriouth: Hämatite SMITH-HUTTON, COOK COLL. 56 Νr. 253.254 (ohne Abb.); Hämatite DELATTE-DERCHAIN 246f. Νr. 337-339; Hämatite PHILIPP, BERLIN 111f. Taf. 47, 181 /CBd-2136/183 /CBd-2138/; Hämatit ΕITREM, MAGISCHE GEMMEN 73; Hämatit AGD III ΚASSEL 241 Taf. 109, 174; Magnetit GRAMATOPOL (1974) 70 Taf. 19, 398; ferner Hämatit CASAL GARCÍA I 189, II 82 Νr. 505; hier 356 /CBd-733/. - Ζu Harpokrates im Tierkreis: 125 /CBd-525/(Vgl.)133 /CBd-533/. - Zum Tierkreis mit anderen Gottheiten: Heliotrop HAMBURGER, CAESAREA 18, 34 Taf. 6, 121 (Mumie); Hämatite BONNER 258 Taf. 2, 33 /CBd-1279/ (Isis lactans), 269 Taf. 5, 102 /CBd-1098/ (Helioros), 320 Taf. 21, 391 /CBd-1238/ (Helios); Hämatit SKOLUDA 21 /CBd-1241/. MICHEL, AMULETTGEMMEN 381, Abb. 7 (Ibis); hier 175 /CBd-573/(Bes), 401 /CBd-772/(Vgl., Phönix)404 /CBd-775/, 483 /CBd-841/ (ibisköpfige Figur), ferner 484 /CBd-842/, 646 /CBd-1005/(Vgl., Chnoubis). - Zum Uterus-Motiν allg.: 351 /CBd-728/(Vgl.)353 /CBd-730/(Vgl.), 354 /CBd-731/(Vgl.)357 /CBd-734/ (Vgl.), 358 /CBd-735/, 359 /CBd-736/ (Vgl.)361 /CBd-176/(Vgl.), 362 /CBd-150/365 /CBd-181/(Vgl.), 366 /CBd-100/371 /CBd-742/ (Vgl.), 372 /CBd-743/, 373 /CBd-744/ (Vgl.), 374 /CBd-745/(Vgl.)376 /CBd-747/(Vgl.), 377 /CBd-748/, 378 /CBd-749/(Vgl.), 379 /CBd-750/(Vgl.), 380 /CBd-751/ (Vgl.), 381 /CBd-752/(Vgl.), ferner 387 /CBd-758/(Vgl.), 388 /CBd-759/, 409 /CBd-780/ (Vgl.)413 /CBd-163/, 417 /CBd-112/ (Vgl.)423 /CBd-113/. - Zur Inschrift →Orôriouth: 351 /CBd-728/355 /CBd-732/, 359 /CBd-736/376 /CBd-747/, 379 /CBd-750/, 387 /CBd-758/, 388 /CBd-759/, 409 /CBd-780/411 /CBd-136/.

 

Last modified: 2016-02-17 23:21:47
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