The CBd
Michel, BM on CBd-760
S. Michel, Die Magischen Gemmen im Britischen Museum, 2001, 247, no. 389.

Rotes Jaspis-Fragment, poliert. Ursprünglich hochoval, beiderseits flach, Rand nach hinten abgeschrägt, Kante abgerundet. Auf der Vs. oben rechts und links Absplisse, Mulden in die Rs. reichend, unten quer abgebrochen. Ringstein.

1,6 x 1,4 x 0,3
3. Jh.n.Chr.
Von Rev. G.J. Chester (1867).
Brit. Mus. Inv. G 364, EA 56364.

Vs.: Herakles im Kampf mit dem Löwen, umgeben von einem Οuroboros. Von Herakles ist nur noch der Thorax und der kaum als menschlich zu erkennende Kopf nach links erhalten. Die Arme des Helden verschwinden in dem Kerbengewirr der Löwenmähne. Herakles' Profil ist grob mit Auge und Braue, spitzer Nase, Lippen sowie Wange angegeben, einige Kerben am Hinterkopf bezeichnen das Haar. Der Kopf des Löwen ist außer einer grob gekerbten Mähne kaum zu identifizieren. Rechts hinter Herakles im freien Feld ein Rest der Keule.

Rs.: Schwangere mit langen offenen Haaren in Vorderansicht, die Beine in Hockstellung gespreizt. Brust und Geschlechtsteile oder Muskulatur sind nicht angegeben, der Unterleib ist stark gewölbt dargestellt. Die Frau hat den rechten Αrm angewinkelt erhoben und schwingt seitlich ausgestreckt eine Κeule. Die Linke ist leicht gebeugt auf das linke Knie gestützt. Unter der linken Achsel ein nicht definierbarer Gegenstand. Unter der Figur links und rechts Linienreste. Im freien Feld links und rechts der Figur je ein K, ein ursprünglich drittes ist verlorengegangen:
KKK
sog. Kolikcharakteres

Anhand von Vergleichsbeispielen läßt sich das Gemmenmotiv der Rs. dahingehend ergänzen, daß unter der Schwangeren ursprünglich ein ithyphallischer Esel auf dem Rücken lag, Beine und Phallus sind noch als Linienreste erhalten. Damit gehört das Stück zu einer Gruppe von Gemmen aus rotem Jaspis oder Karneol, die einen Esel sowie ->Charakteres auf der einen Seite und eine Schwangere mit Keule auf der anderen Seite zeigen. Wie es auch auf den Uterusamuletten impliziert wird, repräsentiert der ithyphallische Esel den Incubus Seth, der die Schwangerschaft (durch vorzeitige Blutungen) bedroht und Fehlgeburten bewirkt (379 /CBd-750/, ferner auch 351 /CBd-728/). Ägyptische medizinische Texte beziehen sich weiterhin häufig auf dessen „Giftsamen” und verordnen, vor dem Schlafengehen die beiden fein zerriebenen Hoden eines Esels mit Wein gemischt zu trinken. So soll nach dem Analogieprinzip durch die Vernichtung der Εselshoden die speziell auf diesem Organ beruhende (nächtliche) Tätigkeit des eselgestaltigen Incubus zunichte gemacht werden. Während in magisch-medizinischen Rezepten Amulette aus Eselsteilen empfohlen werden, um sich vor Seth und den durch ihn bewirkten Blutungen und Fehlgeburten zu schützen, wehrt sich die Schwangere auf den Gemmen meist mit einer Keule. Dieses motivische Detail dürfte damit erklärbar sein, daß das griechische Wort für Keule (σκυτάλη) umgangssprachlich auch als Bezeichnung für „Phallus” diente, und somit nach dem Prinzip „similia similibus” die Keule (= „Phallus)” als Waffe gegen die Bedrohung „Phallus des Incubus” (= „Keule”) eingesetzt werden kann. Da die Keule ikonographisch vor allem zu Herakles gehört, wäre hieraus die Kombination dieses Motivs mit der Incubusthematik verständlich. Durch das Material roter Jaspis - dem man ähnlich wie dem Hämatit styptische Wirkung zusprach, der jedoch auch häufig für Kolikamulette eingesetzt wird - war der vorliegende Stein nicht nur als Schutz vor den die Schwangerschaft bedrohenden Blutungen, sondern generell als Amulett gegen Unterleibsschmerzen gedacht.

Der Schnitt ist sehr grob und flüchtig, Details fehlen (Gesicht der Frau) oder sind unverständlich. Dennoch sind Aussage und Wirkung des Motivs und „medizinischmagischer” Anwendungsbereich des Steines unmißverständlich ausgedrückt.

Publ.: BONNER 63 Anm.48, 92, 276 Taf. 7, 146 /CBd-760/; BARB, DIVA MATRIΧ 201, 225f. Anm.137 Taf. 26, d.e (fälschlicherweise als Hämatit bezeichnet); BARΒ, SETH OR ANUBIS? 367ff. Taf. 38 e; MICHEL, AMULETTGEMΜEN 387 Anm.13.15 (erw.).

Lit.: Zum eselgestaltigen Seth als Incubus: H. BONNET, RÄRG 172 s.v. Esel; BARB, SETH OR ANUBIS? 369 Anm.7; DERCHAIN (1964) 191 zu Nr. 20; WESTENDORF, TEXTE (A) 128ff.; WESTENDORF, TEΧTE (B) 145ff.; J.F. BORGHOUTS, Ancient Egyptian Magical Texts, Nisaba Religious Texts Translation Series 9 (1978) 38 Anm.143 Spruch Nr. 59; RITNER, UTERINE AMULET 210f. Anm.17, 215 Anm.46; WESTENDORF, HEILKUNST 231, 90, 105, 107, 123, 202f. 252f.; D.F. NUNN, Ancient Égyptian Medicine (1996) 24ff. - Zu Keule/Phallus: S. ILES JOHNSTON, Defining the Dreadful: Remarks an the Greek child-killing Demon, in: MEΥER-MIRECKI 372f. - Zu Herakles, Kolikcharakteres und Kolikamuletten: 390 /CBd-761/(Lit.). - Zur Motivkombination: A. BERG, Der Krankheitskomplex der Kolik- und Gebärmutterleiden (1935); BONNER 62ff.; ferner L.W. DALY, A Greek Palindrome in Eighth-Century England, AJPh 103, 1982, 95-97; MICHEL, AMULETTGEMΜEN 382.

Vgl.: Zum Motiv der Vs.: Siegellackabdruck und braun-roter Jaspis GRIFFITHS-BARB 369 Taf. 38, 18. - Zur Motivkombination Schwangere mit Keule und Esel: Rote Jaspisse SOUTHESK COLL. 151 N 21 (ohne Abb.), 177 Taf. 14, N 57; Roter Jaspis GETTY MUSEUM Inv. 82.AN.162.80a /CBd-2338/ (unpubl.); Roter Jaspis AGBONN 55 Taf. 11, 42; Karneol AGD ΙII KASSEL 245 Taf. 111, 187; Roter Jaspis SKOLUDA 29 /CBd-1703/. - Zum Thema ferner: Hämatit MAΝDRIOLI-BIZARRI, BOLOGNA 135 Nr. 271. - Zur Schwangeren: 387 /CBd-758/, 388 /CBd-759/. - Zu den Kolikcharakteres: 388 /CBd-759/, 390 /CBd-761/(Vgl.)394 /CBd-765/. - Zum Motiv der Rs.: 390 /CBd-761/(Vgl.)394 /CBd-765/. - Zur Kombination Herakles/Geburt: Roter Jaspis Skoluda 16 /CBd-1631/. MICHEL, AMULETTGEMMEN 383 Abb. 11.
 
Last modified: 2016-02-17 23:57:51
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