S. Michel, Die Magischen Gemmen im Britischen Museum, 2001, 360, no. 629.
Karneol, unrein, poliert, in den Vertiefungen stark poliert. Hochoval, Vs. leicht konvex, Rs. flach, Rand unregelmäßig, leicht nach hinten abgeschrägt, Kante nach vorn. Kante links und rechts bestoßen.
2,95 x 2,4 x 0,45
17. Jh.n.Chr.
Aus der Towneley Sammlung (1805).
Brit. Mus. Inv. G 69, EA 56069.
Vs.: Harpokrates im Profil nach rechts im Lotuskelch stehend. Aus einem kleinen bewachsenen Hügel steigt die Lotuspflanze mit zwei länglich ovalen Knospen und einem tulpenförmigen Blütenkelch auf. Die Blüte besteht aus einem kugeligem Blütenboden und zwei tulpenähnlich hochgezogenen Blütenblättern, die nach links und rechts gebogen, den Blick in das Innere der Blüte freigeben. Harpokrates steht auf dem linken, gestreckten Bein, das rechte ist angewinkelt hochgehoben, als ob er im Begriff sei, aus dem Kelch zu steigen. Die Figur ist unbekleidet, der Oberkörper jedoch mit Wölbungen durchgearbeitet, so daß Bauch und Brustmuskulatur angegeben sind. Der rechte Arm ist angewinkelt an der rechten Seite gehalten, die Hand trägt ein Flagellum, dessen oberes gekrümmtes Ende mißverstanden als Halbmond gebildet ist. Mit dem angewinkelt erhobenen linken Arm und der zum Körper gebeugten Hand ist der Zeigefinger auf die Augen der Figur gerichtet. Horus hat einen kleinteilig ausgearbeiteten Kopf mit langem wirren Haar, rundlichen Wangen, Auge, Nase, Lippen und rundem Kinn. Zwölf Strahlen schmücken den Kopf. Im freien Feld über der Figur ein achtstrahliger Stern, ein ebensolcher vor der Figur rechts (das Pendant zur Mondsichel, die als Flagellumende verstanden ist). Rechts unten eine in Aufsicht gezeigte Eidechse. Das Tier ist schräg nach oben ausgerichtet, den Kopf zu Harpokrates gewandt. Die Füße mit drei Krallen sind sauber gearbeitet, ebenso der Kopf mit einem ovalen Auge und leicht geöffnetem Maul.
Rs.: Queroval. Im Zentrum des Steines ein glatter Ouroboros, Kopf mit deutlich geschnittenem Maul und Auge im Profil nach links. Darin eine spiegelbildliche Inschrift in fünf Reihen:
CΟΥΜAP
TAAΒΛAΝA
ΘAΝAΛΒAA
ΚPAMAΧA
MAPΛ
->Soumarta, ->Ablanathanalba-Palindrom, ->Akrammachamarei
Am Rand, ebenso spiegelverkehrt
ACAΕΗI CΗWCIΕC
ΟΕΥΕ W BΕΕCCAΚAWΘM ΛAΔW
Der Steinschneider ließ entsprechend einer Kupferstich-vorlage bei CHΙFLΕT Lücken, die bei dem Kupferstich als Absplisse bzw. beschädigte Stellen im Gemmenvorbild zu erkennen sind.
Harpokrates ist mit Helios gleichgesetzt, die Symbolik scheint zudem verstärkt auf die Augen hinzudeuten (vgl. Sonnenauge): die Haltung des auf die Augen gerichteten Zeigefragers sowie Hinzufügung einer Eidechse: Symbol gegen Augenleiden und Begleittier des Helios, der als Sonne wiederum selbst mit einem Auge gleichgesetzt und Blindheit senden und heilen konnte. Der auf den „Urhügel” gesetzte Lotus ist in seiner Form in der Antike ebenfalls unüblich. Die vielen feinen Anspielungen und die versteckte (sowie mißverstandene) Symbolik heben den Stein deutlich von den antiken Motiven und der Ikonographie der magischen Steine ab, zeugen aber von einer gewissen Belesenheit und Kenntnis antiker Quellen.
Ein sehr fein und sorgfältig geschnittenes Stück. Scharfe Linien sind ebenso eingesetzt wie sensible Wölbungen (Muskulatur), so daß die Motive naturnahe modelliert und lebendig wirken. Die Bewegungen sind kleinteilig und folgerichtig durchgehalten, die Raumnutzung geglückt. Auch die Proportionen sind stimmig, wenngleich Harpokrates nur in der rundlichen Wange kindlich wirkt. Die für Karneole der Neuzeit typische dunkle Farbe, die Umkehrung der Politureffekte (Vertiefungen stark glänzend), Schnitt und Motiv sprechen dafür, daß es sich um eine qualitätvolle neuzeitliche Arbeit handelt.
Publ.: BUDGE, GUIDE 241 Nr. 69; E.A.W. BUDGE, The Mummy 2(1925) 330 Taf 24; BOΝΝΕR, BRITMUS 309ff., 340f. Taf. 100, 69 /CBd-988/.
Lit.: Zum Motiv: 104 /CBd-504/(Lit.). - Zur Eidechse: 424 /CBd-782/(Lit.). - Zu Helios: 243 /CBd-641/(Lit.).
Vgl.: Kupferstich CHIFLET 82 Taf. 9, 35 /CBd-2756/; Chalcedon, grün mit roten Punkten DEVOTO-MOLAYEM, ARCHEOGEMMOLOGIA 205 Abb. 125; ferner Hämatit PRIVATSAMMLUNG BRD. - Zu Harpokrates auf dem Lotus: 104 /CBd-504/(Vgl.)–118 /CBd-518/.