The CBd
Michel, BM on CBd-788

S. Michel, Die Magischen Gemmen im Britischen Museum, 2001, 268-270, no. 430.

Hämatit, poliert. Unregelmäßig hochoval, beiderseits flach, Rand nach hinten abgerundet, Kante nach vorn. Länglicher Abspliß rechts an Kante und Vs., nachgeschliffen, sowie kleinere Absplisse an Kante und Rs. Streichelstein.

2,8 x 1,6 x 0,25
4. Jh.n.Chr.
Geschenkt von W.H. Coxe, Esq. (1866).
Brit. Mus. Inv. G 204, EA 56204

Vs.: Ein Reiter im Profil nach rechts über eine unter seinem sich aufbäumenden Pferd liegende Figur hinweggaloppierend. Einige Linien am Kopf bezeichnen Haar oder eine Kopfbedeckung (Krone, Strahlenkrone?). Der bartlose Reiter ist mit einer Tunika und einer über die rechte Schulter geworfenen und hinter ihm wehenden Chlamys bekleidet, Stiefel sind nicht eindeutig erkennbar. Der rechte Arm des Reiters ist angewinkelt erhoben und trägt eine Lanze. Das Zaumzeug des Pferdes ist detailliert mit Trense und Zügel sowie durch je zwei Linien an Schulter und Hinterteil angegeben. Neben dem Knie des Reiters ist die Lanzenspitze sichtbar, die auf die im rechten unteren Halbrund liegende Figur gerichtet ist. Diese ist durch langes Haar als Frau charakterisiert, Kleidung ist nicht erkennbar. Ihr rechter Arm ist abwehrend oder wie um Gnade flehend erhoben, Hände sind nicht ausgearbeitet, nur ein flüchtig geritzter Daumen an der linken Hand. Im freien Feld über dem Kopf des Pferdes ein achtstrahliger Stern. Neben dem Schwanz des Pferdes beginnend und umlaufend die Inschrift:
CΟΛΟMWΝ
„Solomon”

Rs.: Inschrift in vier Reihen:
CΦΡ
AΓΙ
CΘΕ
ΟΥ

CΦPAΓΙC ΘΕΟΥ, „Siegel Gottes”

Die Wendung „Siegel Gottes” („σφραγὶς θεοῦ”) erscheint in der Regel auf der Rückseite der Salomonamulette und findet auch bei Beschwörungen der Dämonen in den magischen Papyri Verwendung: „Ich beschwöre dich, jedweden dämonischen Geist, daß du sagst, wer immer du auch seist; denn ich beschwöre dich bei dem Siegel Gottes, das Salomon auf die Zunge des Ieremias legte: und er redete” (PREISENDANZ, PGM IV 3039f.). Es ist Scholem zu folgen, der das Siegel Gottes als den geheimen Namen des Gottes interpretiert.

Das Stück ist für diese Gattung fein und detailliert gearbeitet und bildet den Anfang der Gruppe mit Reiterdarstellungen, die stereotyp wiederholt und nur stilistisch variiert sind. Salomon - meist inschriftlich benannt - tötet, von links nach rechts über Lilith hinweg galoppierend, die am Boden liegende unbekleidete Dämonin mit langen Haaren. Zum Schema gehört weiterhin ein achtstrahliger Stern, auch wird das Bild in einigen Fällen von einem Ouroboros gerahmt. Die Gemmen lassen sich hauptsächlich in Stücke gruppieren, die Salomon inschriftlich auf der Vorderseite benennen und auf der Rückseite die Inschrift „Siegel Gottes” tragen sowie solche, die nur die letztgenannten Worte auf der Rückseite aufweisen. Nach jüdischer Überlieferung soll Lilith vor Eva Adams erste Frau gewesen sein, in einem jüdischen Märchen wird erzählt, daß Gott die drei Engel Snij, Sasnij und Smanglof gesandt habe, um Lilith wieder einzufangen, nachdem sie Adam davongelaufen sei. Als die Engel Lilith erjagt hatten, erfuhren sie von ihr, daß sie erschaffen worden war, um Neugeborene zu töten, sowie daß sie sich - falls die Engel sie laufen ließen - verpflichten würde, keine Säuglinge umzubringen, in deren Wohnung die Namen der Engel zu finden seien. Während Lilith also insbesondere als kinderfeindlich galt, war der mit Salomon identifizierte HI. Sissinius Schutzpatron der Kinder, so daß die Amulette mit Salomon und Lilith allgemein als Schutzamulette für Kinder bzw. gegen Säuglingssterblichkeit eingesetzt worden sein dürften. Im weitesten Sinne ist mit Salomon und Lilith der traditionelle „Kampf Von Gut gegen Böse” artikuliert. Die Legenden um König Salomon, denen das Motiv entstammt, sind in ihrem Umsprung als eindeutig jüdisch anzusehen, die Ikonographie hingegen nicht. Nach einem Fresko im koptischen Kloster Bawit wurde - wie auch auf Gemmen - der HΙ. Sissinius mit dem Reiterheiligen identifiziert, ebenso bot sich das Motiv an, vom Christentum übernommen zu werden, da Salomon seither als „Ρraefiguratio Christi” galt und sich das Thema schließlich auch zu dem den Drachen besiegenden Heiligen Georg abwandeln ließ (450 /CBd-808/). Im vorliegenden Salomonbild zeigt sich ein immer wieder absichtsvoll eingesetztes Mittel der magischen Amulette, Dämonenbannung zu visualisieren: Detailliertheit und Sorgfalt heben den positiven Charakter der Hauptfigur hervor, während bei der negativ behafteten Nebenfigur durch Flüchtigkeit und Kürzung Annulation angestrebt wird. Der Stil weist schon in Richtung der sog. Strohbündelgemmen, die seit dem 4./5. Jh. vorkommen und bis ins 13./14. Jh. hergestellt worden zu sein scheinen, die Datierung der Gemmen wird in der Forschung vom 3.-5.Jh.n.Chr. diskutiert.

Mit Rundungen, Furchen und scharfen Graten kombinierend wird deutlich plastische Wirkung angestrebt. So erarbeiten tiefe, mit dem Rundzeiger hergestellte Mulden und scharfe Linien des Schneidezeigers Schattenwirkung, die beispielsweise den Körper des Pferdes plastisch erscheinen lassen. Bei Pferd und Reiter sind Details ausgearbeitet (Fuß und Zehen beim Reiter, Ηufe und Saarbüschel an den Hinterbeinen des Pferdes), bei Lilith dagegen ist der Körper nur grob und silhouettenhaft umrissen. Die Proportionen sind stimmig und der Raum gut genutzt. Durch das Konzipieren der bewegten Szene auf engstem Raum entsteht der Eindruck, daß der Reiter energievoll aus dem Bildfeld sprengt.

Publ.: GOODENOUGH II 227 Anm.122, III 1047.

Lit.: Zu Motiv und Inschriften: BETZ/PREISEΝDANZ, PGM I 306, IIΙ 226, IV 3039; BONNER 27, 209ff.; GOODENOUGH II 227ff.; 0.8. SCHOLEM, Jewish Gnosticism, Merkabah Mysticism, and Talmudic Tradition 2(1965) 133 Anm.71; ΗAMBURGER, CAESAREA 17 zu Nr. 119; DELATTE-DERCHAIN 262ff.; WORTMANN, NILFLUT 109ff.; PHILIPP, BERLIΝ 116 zu Nr. 189 /CBd-2142/ (Lit.); SCHWARTZ (1979) 184ff. zu Nr. 46ff. /CBd-1474/; WALTER, WARRIOR SAINTS 33ff.; Η. GITLER, Four Magical and Christian Amulets, Liber Annuus 40, 1990, 371ff.; ΗΕΝIG, CAMΒRIDGΕ 233 zu Nr. 511 /CBd-121/; SPIER, TRADITION 32ff.; D. MICHAELIDES, A Solomon Pendant and Other Amulets from Cyprus, in: Tranquillitas VII. Mélanges en l'honneur de Tran tam Tinh (Hrsg. M.Ο. Jentel - G. Deschênes-Wagner 1994) 409ff.; WALTER, SOLOMOΝ 365ff.; KOTANSKY-SPIER 323ff. - Ζum Thema Salomon: D. SCHLUMBERGER, Amulettes Byzantines, RΕG 1892, 74; P. PΕRDRIZΕΤ, Negotium Ρerlambulans (1922) 34; K. PRΕISΕΝDANZ, in: RΕ Suppl. VIII (1956) 680 s.v. Salomo; Η. LΕCLERCQ, Dictionnaire d'Archéolοgie Chrétienne et de Liturgie XV (1950) 588ff. s.v. Salomon; S. GIVΕRSEΝ, Salomon und die Dämonen, in: M. Krause (Hrsg.) Essays on the Nag Hammadi Texts in Ηonour of Alexander Böhlig, Nag Ηammadi Studies 3 (1972) 16ff.; D.C. DULING, Solomon, Εxorcism, and the Son of David, HThR 68, 1975, 235ff.; M. GÖRG, in: LÄ V (1984) 369f. s.v. Salomo; BETZ 96 Anm.394 (Lit). - Ζu Salomon/Sisinnios: G. VIAUD, Magie et coutumes populaires chez les Coptes d' Εgypte (1978) 107ff.; WALTER, WARRIOR SAINTS 33 Anm.11, 41f. - Zu Lilith: BARB, AΝTAURA 1ff.; C. DETLEF G. MÜLLER, Von Teufel, Mittagsdämon und Amuletten, JbAChr 17, 1974, 91ff. bes. 98ff.; Η. BIEDERMANN, Lexikon der Magischen Künste, Die Welt der Magie seit der Spätantike (1986) 268f. s.v. Lilith (Lit.). - Zu Stil und Datierung: J. ΕNGEΜANN, in: RAC II (1979) 289f. s.v. Glyptik; PHILIPP, BΕRLIΝ 117 zu Nr. 189 /CBd-2142/; ΖAZOFF, ΗAΝDBUCH 379f. zu Taf. 126, 1-5; WALTER, WARRIOR SAINTS 42; SPIER, TRADITION 36 Anm.57.

Vgl.: Zu Material, Motiv und Inschrift CΟΛΟΜWΝ, CΦPΑΓΙC ΘΕΟΥ: Hämatite DELATTE-DERCHAIN 261ff. Nr. 369, 263f. Nr. 371-374.376.377; Hämatite BONNER 302 Taf. 14, 294 /CBd-1743/. 295 /CBd-1474/; Hämatit GOODENOUGH II 227, III Abb. 1046; Hämatit-Frgt. AGD I, 3 MÜΝCHEΝ 122 Taf. 281, 2913; Hämatit-Frgt. PHILIPP, BERLIN 116f. Taf. 50, 189 /CBd-2142/; Ηämatit ΗΕΝΙG, CAMBRIDGE 233 Nr. 511 /CBd-121/; Hämatit P. PERDRIZET, Sphragis Solomônos, REG 16, 1903, 50 Abb. 7.8; Hämatit, quadratisch WALTER, WARRIOR SAINTS 34 Abb. 1. WALTER, SOLOMON 365 Taf. 34; Hämatit-Frgt. MOUTERDE (1930) 96 Abb. 24; Hämatite A. BAΝK, Gemma s izobrazeniem Solomona, VizVrem 8, 1956, 331f. Abb. 1.2; Hämatit RIDDER, DE CLERCQ COLL. 788f. Taf. 30, 3491; Hämatit HAMBURGER, CAESAREA, 34 Taf. 6, 119; Hämatit LIFSHITZ (1964) 80 II (ohne Abb.); hier 431 /CBd-789/437 /CBd-795/, 441 /CBd-799/; ferner Schiefer-Frgt. SCHWARTZ (1979) 187 Taf. 38, 48 /CBd-1786/. - Ζu Material, Motiv und Inschrift CΦPAΓΙC ΘΕΟΥ: 438 /CBd-796/(Vgl.)440 /CBd-798/, 442 /CBd-800/, 444 /CBd-802/. -Zum Motiv im Ouroboros: 443 /CBd-801/(Vgl.). - Ζu Material und Motiv: 445 /CBd-803/(Vgl.)448 /CBd-806/. - Ζu Salomon/Sisinnios: Hämatit SPIER, TRADITIOΝ 32ff., 36 Taf. 6, e; Fresko im Kloster Bawit MÜLLER a.Ο. 98ff. Abb. B. - Zu Salomon auf Gemmen ferner SPIER, TRΑDITIΟΝ 36 Anm.56.

Last modified: 2015-11-01 21:48:01
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