The CBd
Michel, BM on CBd-968

S. Michel, Die Magischen Gemmen im Britischen Museum, 2001, 348, no. 609.

Heliotrop, stark poliert. Hochoval, beiderseits flach, Rand stark nach hinten abgeschrägt, Kante abgerundet. Kante leicht bestoßen, gut erhalten.

4,4 x 3,4 x 0,6
Mitte 17. Jh.n.Chr.
Aus der Sammlung Towneley (1805) Nr. 273.
Brit. Mus. Inv. G 25, EA 56025.

Vs.: Große, hermenhaft gestaltete Figur auf einer Säulenbasis. Das Rautenmuster deutet Mumienbinden an, die Füße der Figur sind als basisähnliche, reliefierte Querkerben gebündelt, darüber steigt der sich nach oben verbreiternde Körper auf. Die Arme der Figur sind vor der Brust gekreuzt, die Hände ausgearbeitet. Das frontal gezeigte, von langen herabfallenden Haarsträhnen gerahmte Gesicht ist bärtig, Gesichtspartien sind plastisch ausgeführt. Unter der Figur, auf einem Globussegment als Grundlinie, vier nackte Figuren, die sich mit vor der Brust gekreuzten Armen zu verneigen scheinen. Die beiden äußeren haben je einen großen Flügel und sind durch zwei kräftige Linien mit der Hauptfigur verbunden. Oben links und rechts je ein Stern, Sterne auch auf dem Globussegment, das von Linien in mehrere Felder geteilt wird. Links und rechts der mumienhaften Figur Inschrift in drei Reihen, durchgehend waagerecht gelesen:
ΙΧΙΗΥΙΝ ΥΙΗΥΙΟΥ
ΟΥΧΟΟΧ ΟΙTΥΗΙ
ΧΙΧTΗΔ ΥΙΟΙΥΝ
Links und rechts der Figurengruppe unten:
IΠΙ ΟΥΙ
Über den geflügelten Figuren und links und rechts der Hauptfigur zentral:
Χ ΠA Θ
Initialen: Christus, Pater, Theos?

Ähnliche Zeichen, die das entsprechende Motiv auf einem Vergleichsbeispiel begleiten (611 /CBd-970/), versteht Barb als hebräische Buchstaben, die auf Jahwe zu beziehen seien.

Rs.: Eine ähnliche Mumienfigur wie auf der Vorderseite mit zum Rechteck gebündelten Füßen und mit Netzmuster versehen, umgeben von acht Sternen: sechs oben und zwei unten. Links und rechts der Figur in der Mitte zwei große ->Charakteres bzw. Buchstaben:

Verschreibungen oder Verdunkelungen von Alpha und Omega oder P(ater)?.

Die hermenhafte bärtige Figur erscheint kaum variiert auf zahlreichen Gemmen, mitunter mit Horoskopen und magischen Zeichen und Symbolen wie etwa dem Pentagramm kombiniert. Die Reminiszenz an die Mumienbinden und die gekreuzten Arme der zentralen Figur sind typisch für Osirisbilder, die Zackenkrone, Haar und Bart dagegen sicherlich christlich empfunden - die Umbildung des in der magischen Glyptik verbreiteten Osiris-Mumienbildes in eine alles überragende Christusstatue ist unmißverständlich. Über die Bedeutung des Motives wurden verschiedentlich Gedanken und Interpretationsansätze geäußert, CHIFLΕΤ z.B. erklärt den Gott als „patêr tôn olôn termini imagine“, dessen Haltung höchste Ruhe im Sinne Epikurs symbolisiere, die Genien dagegen als anbetende Engel auf dem Himmelsglobus. Weiterhin hat man den Ursprung dieser Vorstellung in der Gnosis gesucht, an ein Symbol des Templerordens oder der Rosenkreuzer gedacht, die Genien als Personifikation der vier Jahreszeiten verstanden und sich schließlich an eine Visualisierung des Psalms 98/99 erinnert gesehen: „Dominns regnavit ..qui sedet super Cherubim...”. Da die christusähnliche Herme und die astroIogisch-magischen Bildelemente auf Gemmen so verbreitet sind, dürfte es sich um ein bekanntes „Emblem” aus dem Umfeld einer entsprechenden Gruppierung des 17. Jhs. handeln, - der oftmals im Bildfeld erscheinende Zirkel wäre etwa ein Symbol der Freimaurer. In Material und Bild enspricht der beschriebene Stein der Kupferstichabbildung Taf. 19, 78 /CBd-2835/ im Werk von CHIFLEΤ nach einem Heliotrop aus Chiflets eigener Sammlung so sehr, daß man ihn für eben jenes Originalvorbild für die Kupferplatte halten darf. Die Abbildung des Steines im Kupferstich gibt Bild und Inschriften spiegelverkehrt wieder, die Übereinstimmung läßt sich bis auf einige Buchstaben der oberen Inschriftenreihen verfolgen, was möglicherweise mit einem Kopierfehler des Kupferstechers erklärt werden kann. Eine Reihe von Gemmen mit ähnlichen Motiven könnten sowohl nach dem Original bzw. Abdrucken davon, oder aber direkt nach dem Kupferstich bei CHIFLET geschnitten worden sein. Da das Exemplar des Britischen Museums bislang unpubliziert und somit der Forschung unbekannt und unzugänglich war, sind - stets unter Berufung auf CHIFLET - meist die geringeren Repliken diskutiert worden.

Ein hervorragender Schnitt des 17. Jahrhunderts mit subtiler Herausmodellierung der Körper bei den nackten Figuren und detaillierter Zeichnung von Gewandpartien. Die Profile der miniaturhaften Figuren sind plastisch ausgeführt, ebenso das Antlitz der Hauptfigur mit klar herausgearbeiteten Augen- und Mundpartien, so daß deutlich wird, daß der Gemmenschneider das schnell rotierende Steinschneiderrad meisterhaft beherrschte. Die großangelegte Komposition in Achsialsymmetrie mit viel freiem Raum um die Figuren herum sowie die Aneinanderdrängung der Figuren zu einer dichten Gruppe haben mittelalterliche Züge (Giotto), der pyramidenhafte Aufbau auf der Weltkugel verleiht dem Bild Renaissancecharakter.

Publ.: CHIFLEΤ 52, 123ff. Taf. 19, 78 /CBd-2835/; BUDGE, GUIDE 240 Nr. 25; E.A.W. BUDGE, The Mummy 2(1925) 333, 334 Taf. 24; SMITH, OLD TESTAMENT MOTIFS 189; AGWIEN III 290 Abb. 12.

Lit.: Zum Motiv: BONNER, BRITMUS 305f., 338 zu Taf. 99, 62 /CBd-62/; AGWIEN III 290f. zu Nr. 2698 /CBd-2192/. - Zum Templerorden/Rosenkreuzer: KING, GNOSΤICS 373ff., 404, 407 zu Taf. H, 5; H. THIERSCH, Ependytes und Ephod (1936) 198f. zu Taf. 6, 5-8; G. WEHR (Hrsg.), Die Bruderschaft der Rosenkreuzer. Esoterische Texte, Johann Valentin Andreae (1984). - Zu den ->Charakteres/Zeichen der Rs.: BARΒ, DIVA MATRIX 218. - Zu den magischen Gemmen („Abraxen”) im 17. Jh. allg.: ZAZOFF, GEMMENSAMMLER 30ff.

Vgl.: Heliotrop imitierendes Plasma AGWIEN III 290f. Taf. 210, 2698 /CBd-2192/; hier 611 /CBd-970/, 612 /CBd-971/. - Zur Rs.: 613 /CBd-972/(Vgl.), 614 /CBd-973/(Vgl.)–616 /CBd-975/.

Last modified: 2017-03-15 15:00:29
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