The CBd
Michel, BM on CBd-753
S. Michel, Die Magischen Gemmen im Britischen Museum, 2001, 242, no. 382.

Hämatit-Fragment, poliert. Hochoval, Vs. flach, Rs. leicht konvex, Rand nach hinten, Kante nach vorn abgerundet. Linke Hälfte und oben ein Stück abgebrochen. Abspliß unten auf der Vs. und Rs. Streichelstein.

3,1 x 1,35 x 0,35
3. Jh.n.Chr.
Gekauft von Jack Ogden (1986).
Brit. Mus. Inv. G 1986,5-1,108.

Vs.: Erhalten ist eine auf einer kurzen Grundlinie stehende, unbekleidete Figur mit Tierkopf in Dreiviertelansicht nach rechts. Beide Arme sind angewinkelt hinter dem Rücken verschränkt, die Hände nicht sichtbar, Attribute fehlen. Der auf einem langen, breiten Ηals sitzende Kopf ist zurückgewendet, so daß die Figur wie sich umblickend erscheint. Mit kurzen Kerben ist eine Mähne angegeben, kleine spitze Ohren stehen auf dem Kopf in die Höhe. Die Schnauze selbst ist undeutlich gearbeitet, eine kurze Kerbe scheint den Unterkiefer oder eine Art Bart zu bezeichnen, zwei längere spitz zulaufende Kerben das geöffnete Maul. Über dem Kopf der Figur ein großes Y, links neben ihr Reste einer Inschrift von elf Reihen in Form eines Schwindedreieck:
ΠΙΕ
.ΠΙΕ
ΑΠΙΕ
AΠΙΕ
ΑΠIΕ
AΠΙΕ
AΠIΕ
ΠΙΕ
ΠIΕ
ΙΕ
Ε
Ζu ergänzen zu (διψᾷϚ Τάνταλε, αἷμ)α πίε, „Wenn du durstest, Tantalos, trinke Blut”

Bonner möchte ΔΙΨΑC dagegen als weibliches Adjektiv verstehen und es auf die sogenannte Dipsas-Viper beziehen, eine Schlange, deren Biß angeblich übermäßigen Durst (sprichwörtlichen Tantalos-Durst) verursachte. Die Inschrift ist als Schwindedreieck angelegt (Pterygoma), d.h. sie wird so oft wiederholt und in jeder Reihe um einen Buchstaben reduziert, bis nur noch ein letzter übrig bleibt. Gegenüber der tierköpfigen Figur hat diese Schwindeinschrift ursprünglich den Ηauptplatz auf dem Stein eingenommen.

Rs.: Eine senkrechte Kerbe als Hinweis auf eine verlorengegangene Darstellung sowie Reste einer Inschrift, links senkrecht von oben nach unten:
ΒAWΕ

waagerecht fortgeführt:
ΙHΙ
→Sabaôth und →Vokale?

Der Hämatit, dessen magische Zauberformel zu einem Schwindedreieck geordnet war, ist ein wichtiges Verbindungsglied zu den Steinen, die einen Krieger neben der Tantalos-Inschrift zeigen (383 /CBd-754/, 384 /CBd-755/). Die umgewandte Figur ist als Dämon mit auf den Rücken gefesselten Händen zu verstehen und ähnelt Seth. Sowohl das Motiv des Fesselns als auch die Schwindeform der Inschrift weisen auf das Bannen einer dämonischen Macht hin. Wie in der Magie sonst Krankheiten als eine dämonische Macht angesehen werden, ist das Blut (Blutungen) als Dämon verstanden, dem zum Zwecke der Bannung (Stoppen von Blutungen) durch die mythologische Tantalos-Parallele mit seiner vollständigen Vernichtung gedroht wird. Auch magisch-medizinische Rezepte verordnen den Tantalus-Spruch bei Blutungen, so soll Ζ.Β. nach einem Rezept des Theodorus Priscianus gegen Nasenbluten mit dem Blut des Patienten auf Lorbeerblätter dreimal „trink, Tantalus” geschrieben werden. Daß in einem anderen Fall empfohlen wird, ein mit dem Spruch beschriftetes Papyrusamulett bei Blutungen beim Mann um den Hals, bei der Frau aber um den Nabel zu binden, weist darauf hin, daß die Amulette - nicht geschlechtsspezifisch und nicht ausschließlich auf die Uterusthematik bezogen - generell gegen Blutungen wirken sollten. Das gewünschte Nachlassen von Blutungen ist auch durch die abnehmende Schwindeschrift und das imaginär gegen Blutungen wirksame Material Ηämatit impliziert.

Das Motiv der sich umwendenden Figur ist silhouettenhaft ohne Details, nur skizzenhaft mit einigen breiten Kerben entworfen, dennoch charakteristisch.

Publ.: MICHΕL, AMULETTGEΜMΕN 387 Anm.15 (erw.).

Lit.: Zur „Tantalos”-Inschrift: R. ΗEIM, Ιncantamenta magica Graeca Latina (1892) 276, 18ff.; Η. SEYRIG, Ιnvidiae Medici, Berytus 1, 1923, 1ff.; BONΝER 87f., 276 zu Taf. 7, 144 /CBd-1357/; BARB, TANTALE 271 ff.; DELATTE-DERCHAIN 258f. zu Nr. 364; ÖNNERFORS, FORMELN 207 Αnm.106 App. 9. - Zum Schwindedreieck: PREISENDANZ, PGM I 139, II 4-5, IΙI 70, 152, 766, X 29ff.; A.M. KROPP, Ausgewählte Koptische Zaubertexte III (1930) 139; MARTINEZ, LOVE CHΑRM 105ff. zu Abb. 3 (Flügelform AΕΗlΟΥW); KOTANSKY, TWO AMULETS 184ff. zu Abb. 3.4. - Zum Material Hämatit: 385 /CBd-756/(Lit.).

Vgl.: Zu Motiv und Inschrift: Hämatit-Frgt., zurechtgeschliffen, GETTY MUSEUM Ιnv. 83.AN.437.50 /CBd-2346/ (unpubl., Dämon mit Löwenkopf). - Zum gefesselten, „fliehenden Dämon”: 179 /CBd-577/. - Zur TantaIos-Inschrift in Schwindeform auf Hämatitamuletten: 383 /CBd-754/(Vgl.), 384 /CBd-755/. - Zur Schwindeinschrift allg.: 268 /CBd-165/, 277 /CBd-663/, 278 /CBd-664/, 503 /CBd-861/, ferner 132 /CBd-532/.

 

Last modified: 2015-10-18 22:50:12
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