Heliorus, Anubis und Hekate
9864. — Jaspis, rotgrün. Form 8. Am oberen Rand antik bestoßen. Das N in die obere Verletzung geschnitten. Danach nochmals bestoßen.
Slg. v. St.
3,65 x 3,05 x 0,4
2./3. Jh. n. Chr.
Vs.: Heliorus steht, den Kopf nach links gewendet, auf einer kurzen Grundlinie. Der Oberkörper erscheint fast frontal, mit einer leichten Wendung nach rechts, das rechte Spielbein ist etwas zur Seite gesetzt, in der nach vorne gesenkten Rechten hält er einen Zweig mit zwei Ästen und Lorbeer(?)-Blättern, in der ausgestreckten Linken trägt er einen Kranz aus zwei Lorbeer(?)-Zweigen mit flatternden Bindenenden. Er ist mit einem kurzen Schurz bekleidet und trägt auf dem Kopf eine Krone mit acht Strahlen. Rechts und links von ihm oben im Bild ein großer Stern und der Iiegende Halbmond. — Die Haltung der Figur ist etwas steif, aber Details wie die Muskulatur des Oberkörpers, die Finger und die Mähne sind sorgfältig ausgearbeitet und gegeneinander abgesetzt.
Inschrift am oberen Bildrand:
ΑΒΛΑNΑΘΑṆΑΑΒΑ
Eines der häufigsten Palindrome, das auch auf Zauberpapyri anzutreffen ist und vor allem in Verbindung mit Harpokrates und anderen solaren Gottheiten vorkommt. Unter der Grundlinie:
ΜIΧΑHΛΥΨIC
ΤΕΓΑΒΡΙΗΛΚ
PATICTE
“Höchster Michael, mächtigster Gabriel” Diese im jüdischen Glauben fest verankerten Erzengel werden auf den Zauberpapyri häufig angerufen. Michael, der größte unter allen Erzengeln, kann auch mit Anubis verbunden werden (s. hier Rs.), wird aber auch auf einem Stein in Kassel mit Heliorusdarstellungen angerufen. ὕψιστος wird auch für Zeus und Jahwe verwendet, κpάτιστος als Anrede in der Kaiserzeit z.B. für Senatoren.
Rs.: Anubis, der schakalköpfige Totengott, steht auf einer kurzen Grundlinie, nach rechts gewendet, das rechte Spielbein leicht zur Seite gesetzt, in der angewinkelten Rechten eine Peitsche, in der gesenkten Linken einen Kranz(?) oder — mißverstanden — das Geldsäckchen des Merkur(? Vgl. Kat.
Nr. 145 /CBd-2100/). Er ist mit einem kurzen Schurz bekleidet. Der Schakalkopf mit leicht geöffneter Schnauze und aufgestellten Ohren ist ganz im rechten Profil dargestellt. Neben ihm, ebenfalls auf kurzer Grundlinie, die dreiköpfige Hekate mit Fackel, Dolch und Geißel in den Händen und einem hohen Polos auf jedem Kopf. Sie trägt das traditionelle hochgegürtete Gewand mit langem Überfall. — Sorgfältige, aber wesentlich schematischere Arbeit als auf Vs. Gewand der Hekate nur mit einigen geraden Linien gezeichnet, die Gesichter linear mit einzelnen Strichen geformt, aber nicht plastisch modelliert wie der Löwenkopf des Heliorus.
Unter den Figuren:
ΦΟΡΒΑΦΟΡΒH
ΒΡΙΜWΦΟ
ΡΒΑΠIΠ
ΟPΘΕ
Φορβα findet sich häufig auch auf Zauberpapyri (φορβή = Weide, Nahrung. φόρβα = φόρβια = φάρμακα = Droge, Gift, v. Liddell-Scott), des öfteren zusammen mit Βριμώ, einer alten Bezeichnung für Hekate. φορβα zusammen mit Βριμώ vielleicht nur Lautmalerei (PGM IV 2290, LXX 20 — R. Merkelbach). πιπορθε vielleicht von πέρθω: zerstören. — Die Vs. des Steines mit Heliorus und dem damit angedeuteten Prinzip der Sonne, der ewigen Wiederkehr und Erneuerung, wird auf der Rs. ergänzt (gleichzeitig oder später?) durch Elemente der Unterwelt, der Totenwelt. Die mächtige Zauberin Hekate wird angerufen (vgl. auch die Trias Isis, Sarapis, Hekate Kat.
Nr. 79 /CBd-2055/). Anubis ist der Weggeleiter.
Publ.: Toelken S. 49 Nr. 101. Ausf. Verz. S. 380.
Lit.: Zu Heliorus allg. vgl. hier Kat. Nr.
137 /CBd-220/.
139 /CBd-222/. Zu Anubis: Kat. Nr.
81 /CBd-2057/.
140ff. /CBd-223/ — Zu Hekate: Kat. Nr.
48ff /CBd-2024/.
79 /CBd-2055/. — Eine ähnliche Verbindung von Göttern: Fossing Nr. 1863: hahnenköpfiger Anguipes, Hekate, Heliorus und Isis. — Zum Palindrom αβλαναθαναλβα: Bonner, Amulets
154.
191.
202. AGDS IIΙ Kassel Nr. 134 (dort weitere Lit). Barb, Abraxasstudien 73: Das Palindrom erscheint in zwei Kopfwehgebeten. — Zu φορβα: PGM Index S. 273e, sehr häufig, oft zusammen mit Βριμώ. Wortmann, Mag. Texte 80. - Zu den Erzengeln: Die bereits in dem Buch Daniel bekannten Erzengel Michael und Gabriel gewinnen immer mehr an Bedeutung und Ansehen (C. D. G. Müller, Die Engellehre der koptischen Kirche [1959] passim). Da die heidnischen und christlichen Zauberpapyri, in denen sie dann auch angerufen werden, meist jünger als das 3. Jh. n. Chr. sind, kommt den wenigen magischen Gemmen, die diese Namen tragen und älter sind, besondere Bedeutung zu. Bonner, Amulets
31f.
170.
214.
223f. AGDS IIΙ Kassel Nr. 177. A. Herrmann, Der Nil und das Christentum, JbAChr. 2, 1959, 30ff. 44ff.: Michael für die Christen Patron der Nilflut. Er gehört zu den Mächtigsten in Gottes Nähe und wird (zusammen mit Gabriel) seit dem 4. Jh. n. Chr. verehrt, auch Kirchen werden ihm (ihnen) geweiht. — Zum Epitheton ὕψιστος: A. D. Nock, The Gild of Zeus Hypsistos in: Essays an Religion and the Ancient World (1972) 414ff. bes. 426 u. Anm. 74: Häufig in der jüdischen Literatur, aber wohl ohne Einfluß auf Ζεὺς ὕψιστος oder θεὸς ὕψιστος. Trotz des jüdischen Einflusses bei den Zauberpapyri nur dreimal auf solchen nachgewiesen (einmal für Jahwe).