S. Michel, Die Magischen Gemmen im Britischen Museum, 2001, 43-44, no. 66.
Grün-brauner Jaspis, stark poliert, in den Vertiefungen schwächer. Hochoval, beiderseits flach, Rand stark nach hinten abgeschrägt, Kante scharf. Kante ringsum abgesplittert.
3,2 x 2,2 x 0,55
3. Jh.n.Chr.
Aus der Sammlung Towneley (1805), Νr.287/288.
Brit. Mus. Inv. G 28, ΕA 56028.
Vs.: Frontal auf einer Basis stehend die dreigestaltige Hekate, die weiteren Körper und Köpfe jeweils links und rechts im Profil gezeigt und nur zur Hälfte sichtbar, jeweils mit knöchellangem Peplos, der über den Hüften bauschig fällt, Stoffalten sind linear angedeutet. Die sechs Arme sind waagerecht ausgestreckt, teilweise angewinkelt und mit Bemühung um Perspektive übereinander gestaffelt. Die unteren Hände tragen Fackeln, die mittleren Dolche, die oberen Geißeln. Die Köpfe sind jeweils auf einen eigenen Hals gesetzt und mit Kinn, Nasen, Augen und Brauen versehen, auch Haar ist angedeutet. Der linke Kopf ist mit einer liegenden Mondsichel bekrönt, in der sich ein kleiner Stern befindet, der mittlere zeigt den Ροlοs und der rechte scheint einen Sonnendiskus zu tragen, der mit einer dreieckigen Kerbe wie mit einem Auge versehen erscheint und von dem sechs große, durch Stege verbundene Doppelstrahlen ausgehen. Im freien Feld links und rechts der Figur jeweils drei achtstrahlige Sterne übereinander.
Rs.: Inschrift und Sterne in fünf Reihen:
Ε
ΡΕC
ΟΧΙ
ΓAΛ
„Ereschigal”
Εreschigal ist die babylonische Göttin der Unterwelt, die in den Papyri und auf den Steinen u.a. mit Persephone oder Hekate gleichgesetzt wird. Ihr Name ist auch in dem οft mit Hekate kombinierten ->Aktiôphi-Lοgοs enthalten.
Wenngleich die meisten Quellen, die ihre magischen Fähigkeiten belegen, aus nachklassischer Zeit stammen, dürften die Vorstellungen der traditionell dem sοgenannten Volksglauben angehörenden „magischen Hekate” älter sein. Ιn der Regel wird die Göttin auf den magischen Steinen in einem dreigestaltigen Typus wiedergegeben, der auf ein Bildnis des 5. Jhs.v.Chr. zurückgeht, wobei die künstlerische Gestaltung der Dreiheit im einzelnen variieren kann: drei scheinbar selbstständig nebeneinander stehende Göttinnen - die mittlere frontal, die beiden äußeren im Profil - oder nur schemenhafte Andeutung der Dreigestaltigkeit durch einen (gemeinsamen) Körperrumpf mit sechs Armen. Gemeinsam ist allen Stücken die frontale Ausrichtung der Göttin, zumeist in symmetrischer Anordnung der Längsachse und im Hochformat des Steines, sowie ihre blockhafte, bisweilen säulenartig aufwachsende Gestalt. Die Dreigestaltigkeit der Göttin entspricht den drei Mondphasen, die auch in den Papyri durch Epitetha wie „dreiköpfige, dreispitzige, dreigesichtige, dreinackige, mit dreifachem Mund und dreiwegige” stets hervorgehoben werden (z.B. ΡGM IV 2523ff.). Repräsentieren etwa die drei Chariten die Schönheit der Mondgöttin und die drei Μοiren (Klοthο, Lachesis, Atrοpοs) den Schicksalsaspekt des Mondes, so ist mit der dreiköpfigen Hekate und dem auf Gemmen häufig mit ihr kombinierten Gοrgοneiοn die chthonische, gespenstische Seite des Planeten personifiziert. Wie die mit ihr verschmolzenen Mondgöttinnen Artemis und Selene ist Hekate ambivalent zu sehen: da sie als Unterwelts- und Rachegöttin Einfluß auf die Welt der Geister und dadurch Macht über Gespenster und Dämonen hat, kann sie ebenso Schaden zufügen wie auch die Menschen vor Angriffen der Dämonen bewahren bzw. sie so auch von Krankheit(sdämonen) befreien. Ihre Macht im Bereich des Liebeszaubers findet auf Magnetit-Amuletten mit dem Bild einer tierköpfigen und mit Isis-Hathor synkretisierten Hekate Ausdruck. Daß man sich von ihr als Mondgöttin Beistand bei Geburten sowie Hilfe bei Menstruationsbeschwerden erhoffte, könnte durch das für sie bevorzugte Steinmaterial Hämatit oder roter Jaspis reflektiert werden. Gemmen mit Hekate-Bild können darüber hinaus auch in Zusammenhang mit der Seelenlehre der Mithrasmysterien stehen, da man in der Dreigestaltigkeit der Hekate die aus der Philosophie Platons bekannte Dreiteilung der Seele symbolisiert sah: ΝΟΥC (Geist, der im Herzen sitzt), ΘΥΜΟC (Stolz, Zorn und Leidenschaft, im Kopf lokalisiert) und ΕΠΙΘΥΜΙA (Begierde, Lust, in der Leber angesiedelt). Die Darstellung entspricht dem üblichen Typus der dreigestaltigen Hekate, weicht jedoch in mehreren Einzelheiten ab. So ist beispielsweise selten für jeden Kopf eine eigene, von den anderen verschiedene Kopfbedeckung gewählt, auch ist der Sonnendiskus mit Strahlen für Hekate nicht belegt. Die sechs Sterne repräsentieren die Planeten, Hekate selbst den Mond, und durch die Dreigestalt auch zusätzlich Selene und Artemis. Durch die Inschrift der Rückseite wird Hekate, wie auch in den Papyri üblich, mit der babylonischen Ereschigal identifiziert und so ihr chthonischer Aspekt unterstrichen. Mit den Attributen Fackel, Dolch, Geißel und zusätzlich dem Ρolos ist sie weiterhin als Rachegottheit ausgezeichnet, die apotropäisch böse Dämonen fern halten soll. Die Strahlen und der Mond/ Sternaufsatz auf den Nebenköpfen spielen dagegen auf die astral-kosmische Rolle der Göttin an.
Summarischer Strich-Stil ohne Detailangaben, jedoch stark konturiert. Belebt durch Attribute, Sterne im freien Feld und Kopfbedeckungen. Durch raffinierte Politur der Oberfläche im Kontrast zu den matten Schnittvertiefungen in der Gesamtwirkung verstärkt.
Publ.: BUDGE, GUIDE 240; BONNER
197 Αnm.50.
Lit.: Ζu Hekate: FIRMICIUS ΜATERNUS, De errore profanarum religionum 5; PREISENDANΖ, PGM IV 2117ff., 2243ff., 2521ff., 257311, 2641ff., 2713ff., 2785ff.; ΒETΖ 75 Αnm.258, 90 Anm.345; ΤH. HOPFNER, Ηekate-Selene-Artemis in den Ζauberpapyri, in: Pisculi. Studien zur Religion und Kultur des Altertums, F.J. Dölger dargeboten (1939) 125-145, bes. 132f.; J. ΗECKENBACH, in: RΕ VII (1912) 2773, 2777f., 2781f. s.v. Hekate; GUΝDEL, WELTBILD 25ff.; TH. KRAUS, Hekate (1960) 161ff.. Anm.668; DELATTE-DERCHAIN 190; WORTMANN, TEXTE 75ff.; P.Α. ΜARQUARDT, Α Portrait οf Ηecate, ΑJPh 102, 1981, 243ff.; R. MERKΕLBΑCH, Die römischen Mithrasmysterien, in: Spätantike und frühes Christentum, Ausstellungskatalog Liebighaus Frankfurt (1983/1984) 136ff.; hier
67 /CBd-129/,
71 /CBd-471/(Lit.); Η. SARIAN, in: LIΜC VI 1 (1992) 985ff., bes. 1004ff. s.ν. Hekate. - Ζu Persephone/Εreschigal: ΒETΖ/ΡRΕISENDΑNΖ, PGΜ IV 337.1417.2524.2747.2798.2819.2912ff., VII 9841; BONNER
197f.; G. GÜNTΝER, in: LIΜC VIII 1 Suppl. (1997) 956ff. s.ν. Persephone.
Vgl.: Ζu Hekate und „Εreschigal”: Magnetit ΒOΝNER
263 Τaf. 3, 63 /CBd-1311/; Hämatit SOUΤHESK COLL. 156f. Τaf. 13, Ν 29; Chalcedon DELATTE-DERCHAIN 191f. Nr. 254bis. - Ζu Hekate: Schwarzer Jaspis, Ηämatite, grünlicher Jaspis DELATTE-DERCHAIN 501. Νr. 42, 101f. Νr. 126, 190f. Νr. 252.253; Hämatit AGΗAGUE 353 Taf. 171, 1110; Hämatit AGD IV ΗANNOVER 310 Taf. 225, 1707; Gelb-brauner Jaspis, Chalcedon und Hämatit PHILΙPP, ΒERLΙN
51ff. Taf. 12, 48 /CBd-2024/,
Τaf. 13, 51 /CBd-2027/ und
Taf. 14, 52 /CBd-2028/; Ηämatit prisma und Hämatit SKOLUDA
89 /CBd-1689/ und
104 /CBd-1733/ (nach CHIFLET [@Τaf. 14, 57 /CBd-2830/(2830)); Ηämatit-Spindel ΒONNER
315 Τaf. 20, 367 /CBd-1269/; Dunkelgrüner Jaspis mit braunem Streifen ΜARTIN 3. STERNBERG, AUKTION 25, 1991, 118 Τaf. 36, 871; Grüner Jaspis RIDDER, DE CLERCQ COLL. 764 Τaf. 28, 3438; Gelb-roter Jaspis FLORENΖ, ΜUS.ΑRCH. Inv. Amulette 6 (unpubl.); Grün-schwarzer Jaspis VOLLENWEIDER, GENÈVE 1881 Νr. 239; Karneol PAΝNUTΙ, ΝAPOLI 315ff. Νr. 281; Vgl.: Chalcedon ΗENΙG, LEWIS COLL. 38 Τaf. 9, 136; Nicolo AGD III ΒRAUNSCHWEΙG 53 Τaf. 23, 186; Glas, schwarz BRITΜUS Inv. M&LA 1993,2-6,1 (unpubl.); hier
67 /CBd-129/–70 /CBd-470/,
278 /CBd-664/,
573 /CBd-932/,
628 /CBd-987/. - Hekate in Kombination mit dem Gοrgοneiοn: Rotbrauner Jaspis AGD IV ΗAΝNΟVER 310 Taf. 225, 1706; Karneol AGD ΙΙΙ GÖTTIΝGΕN 160 Τaf. 82, 608; Unident. (ohne Farbangabe) STERNBERG, ΑUKTlOΝ 23, 1989, 711. Νr. 243; Chalcedon ΒOΝNER
264 Taf. 3, 65 /CBd-1312/; Kalkstein, rosa-gelblich PHILIPP, ΒΕRLΙN
511 Τaf. 13, 49 /CBd-2025/. - Hekate synkretisiert und mit anderen Mondgöttinnen: Braunroter Jaspis AGD IV ΗANNOVER 310 Taf. 225, 1708 (Ηekate-Artemis); Karneol DELATTE-DERCHAIN 191 Νr. 254 (mit Nemesis); Gelber Jaspis PHILIPP, ΒERLIΝ
52 Τaf. 12, 50 /CBd-2026/ (mit Athena und Nemesis). - Ζu Isis-Ηathor-Ηekate: Magnetit BONNER
258 Τaf. 2, 27 /CBd-1293/; Ηämatite DELATTE-DERCHAΙN 155f. Νr. 203.204.205; Grüner Jaspis SΕNA CHIESA, ΑQUILEIA 422 Τaf. 78, 1547; Hämatit, dreieckig, STERNBERG, ΑUKTION 23, 1989, 70, 72 Νr. 232; Limοnit BONNER
278f. Τaf. 7, 156 /CBd-1363/; Rοte Jaspis-Pyramide AGSOFIA 96 Νr. 266; Rot-gelber Jaspis, gesprenkelt und stark von Chalcedon durchsetzt
SKOLUDA 84 /CBd-1678/.