S. Michel, Die Magischen Gemmen im Britischen Museum, 2001, 283-284, no. 457.
Grün-brauner Jaspis, poliert. Hochoval, Vs. flach, Rs. leicht konvex, Rand nach hinten abgeschrägt, Kante nach vorn. Rundherum stark bestoßen, Absplißmulden in das Bildfeld der Vs. reichend, Sprung auf der Vs. quer durch das Bildfeld laufend, Unebenheiten im Stein.
3,0 x 2,5 x 0,6
2./3. Jh.n.Chr.
Gekauft von Jack Ogden (1986), ehemals Sammlung R. Pereire.
Brit. Mus. Inv. G 1986,5-1,1
Vs.: Gekreuzigter, frontal an einem linear schematisierten Kreuz hängend, das am Boden auf eine rundliche kurze Querkerbe als Basis gesetzt ist. Die Figur ist unbekleidet, Muskulatur und Geschlechtsteile sind nicht angegeben. Beide Arme sind jeweils am Handgelenk mit Riemen an den waagerechten Kreuzbalken festgebunden, so daß die flüchtig angedeuteten Hände kraftlos nach unten hängen. Die Beine scheinen - leicht angewinkelt gespreizt - in der Luft zu hängen. Der Kopf des am Kreuz Hängenden ist aufgerichtet und blickt im Profil nach links, erkennbar ist ein Bart und langes Haar, das Profil dagegen nur mit einer dreieckig abstehenden Nase gekennzeichnet. Im freien Feld über dem Gekreuzigten Buchstaben:
.ΙΕ
links und rechts der Darstellung Reste einer Inschrift in acht Reihen:
ΠΑTΗPΙΗ
COΥΧPICTΕ
CΟΑMΝWA
MWAWIΑ
. CΗΙΟΥW
. ΑPTΑΝΝA
.. YCIOΥ
Enthalten und zu ergänzen: (ΚΥP)ΙΕ? ΠΑTΗP IΗCΟΥ ΧΡICTΕ CΟΑMΝWΑMWA IΑ(W), Anagramm von IΗCΟΥ, „Herr, Vater, Jesus Christus, Soamnôamôa, →Iaô”, Jesus
Derchain schlägt dagegen vor, den Anfang der Inschrift als εἷς πατήρ Ἰησοῦ Χριστέ, „Einziger Vater Jesus Christus” zu lesen. Die Zauberformel Soamnôamôa folgt der in der Magie geläufigen und beschwörenden Wiederholung drei ähnlich klingender Silben, bei Anagrammen wie dem abschließenden („Jesus”) werden die Buchstaben eines Wortes vertauscht, Inhalt und Zahlenwert bleiben erhalten.
Rs.: Reste einer Inschrift in zehn Reihen:
IWE
EΥΑΕΥII
.IOYICΥΕ
.AΔΗTΟΦΝ
ΘIΕCCETCΚΗE
.ΜΑΝAYΗΛΑ
CTΡΑΠCTΚΜΗ
ΦΜEIΘWΑΡ
ΜΕΜΠΕ
…
Enthalten: Variationen des Namens „Jesus”, „Emmanuel”, ΒΑΔΗTΟΦWΘ, CΑTΡΑΠΕΡΚΜHΦ.
ΒΑΔΗTΟΦWΘ und CATPΑΠEPΚΜΗΦ sind mehrmals belegte, in ihrem Sinn jedoch unbekannte Zauberwörter. In ΚΜΗΦ könnte man das verschrieben Wort „Kneph” vermuten, eine spätgriechische Bezeichnung für den ägyptischen Schöpfergott Αmun.
Mit diesem Stein ist ein wichtiges Dokument der frühesten christlichen Ikonographie erhalten, da die Gemme mit der Kreuzigungsszene weitaus älter ist als das Reliefbild der Zypressenholztür von Santa Sabina auf dem Aventin in Rom (ca. 430 n.Chr.), die als die älteste Darstellung der Kreuzigung Christi gilt. Dort wird die Kreuzigung nur durch Nägel in den Handflächen und durch Hölzer hinter Kopf, Füßen und Händen anschaulich gemacht, neben Christus auch die beiden mit ihm hingerichteten Verbrecher. Gemmenbeispiele wie dieses belegen die Vermischung von Christlichem, Magie sowie antikem Zauberglauben. Dies und auch die „Auffassung” von Jesus als Magier sind auf Amuletten kontinuierlich bis in byzantinische Zeit zu verfolgen.
Ein klarer, gekonnter Schnitt mit weichen Übergängen der Körpermodellierung und subtiler Zeichnung der Strichelungen (Haar, Bart), im ganzen jedoch flüchtig, Details fehlen.
Publ.: DELATTE-DERCHAIN 287 Nr. 408; PH. DERCHAIN, Die älteste Darstellung des Gekreuzigten, in: Κ. WESSEL (Hrsg.), Christentum am Nil (1964) 109ff. Abb. 55.56; J. ΕΝGEMΑNN, in: RAC II (1979) s.v. Glyptik 293; M. SMITH, Jesus der Magier (1981) 110f. Abb. S. 111.
Lit.: Zu christlichen Amuletten und Kreuzigungsszene: BONΝER 225ff.; PH. DERCHAIN a.Ο. 109ff.; M. SMITH, Jesus the Magician (1978)/Jesus der Magier (1981) 164, 110f.; P. AΝTES, Große Religionsstifter (1992) 49ff. - Zum Εngelnamen Emmanuel: BONΝER 173; J. ΕΝGEMANN, Palästinensische Pilgerampullen im F.J. Dölger-Institut in Bonn, JbAChr 16, 1973, 5/27, 9f. Anm.31 zu Taf. 16a. - Ζu CΑTPΑΠΕPΚΜΗΦ: PREISENDANZ, PGM ΧΙΙ 185, XIII 917; DELATTE-DERCHAIN 53 zu Nr. 48; PHILIPP, BERLIN 91 zu Taf. 34, 132 /CBd- 216/; ZWIERLEIN-DIEHL, KÖLΝ 20 Anm.39. - Ζu Jesus als Magier und Wirkung seines Namens in der Magie: PREISENDAΝZ, PGM III 420, IV 1233.3020; J. BARBΕL, Christos Angelos (1941) 206f.; M. SMITH, Jesus the Magician (1978) 32f., 35, 107, 109-114, 126-130, 152; BETZ 62 Anm.168 (Lit.), 96 Anm.388 (Lit.); LUCK, MAGIE 21ff.; M.J. ΕDWARDS, ΧPΗCTΟC in a Magical Papyrus, ΖPΕ 85, 1991, 234f.; R. ΚIEKHEFER, Magie im Mittelalter (1992) 47; R. MERKΕLBACH, Astrologie, Mechanik, Alchimie und Magie im griechisch-römischen Ägypten, Riggisberger Berichte 1 (1993) 49ff., 60f.; R. ΚOTΑNSKY, Greek Εxorcistic Amulets, in: MEYER-MIRECZKI 243 Anm.2.6, 261, 264; Κ. HOHEISEL, in: RAC ΧVII (1996) 838ff., bes. 872ff. s.ν. Jesus. - Ζu christlichen Elementen auf magischen Gemmen: 224 /CBd-622/(Lit.), 249 /CBd-647/(Lit.), 250 /CBd-381/(Lit.). - Zum Holzrelief Santa Sabina: G. JEREMIAS , Die Holztür der Basilika S. Sabina in Rom (1980).
Vgl.: Zur Kreuzigungsszene: 458 /CBd-816/; Κarneol Ο.M. DALTON, Catalogue of early Christian Antiquities of the British Museum (1901) 7 Taf. 1, 43. - Ζu ΙΗCΟΥ (ΧPICTE) auf magischen Gemmen: Heliotrop FLORENZ, Mus.Arch. Inv. 2980; in Abkürzungen und ungewissen Schreibungen: 224 /CBd-622/(Vgl.), 239 /CBd-637/, 249 /CBd-647/(Vgl.), 250 /CBd-381/, 298 /CBd-684/, 398 /CBd-769/, 450 /CBd-808/, 458 /CBd-816/, 460 /CBd-818/, 465 /CBd-823/, 538 /CBd-897/(Vgl.), ferner 5 /CBd-384/, 541 /CBd-900/ (Vgl.). - Zum Wort CΑTPΑΠEPΚΜΗΦ: Olivin PHILIPP, BERLIN 91 Taf. 34, 132 /CBd-216/; Grün-schwarzer Jaspis BONΝΕR 291 Taf. 11, 228/CBd-1413/; Hämatit-Frgt. FORΒES, PRINCETON 160ff. Taf. 36, 147; Jaspis (ohne Farbangabe) DELATTE-DERCHAIN 53 Nr. 48; 500. -Zu EΜΜΑΝΟΥΗΛ in Verbindung mit Kreuzigungsszene: Sardonyx AGWIEN III 147f. Taf. 84, 2173 (Lit.). - Ζu ΒΑΔΗTΟΦWΘ: 271 /CBd-158/(Vgl.), 272 /CBd-160/. - Zur magisch-christlichen Tradition auf Gemmenamuletten: Hämatit SPIER, TRADITION 44 Anm.111 Taf. 6, b; Amethyst M.C. ROSS, Catalogue of the Byzantine and early Mediaeval Antiquities in the Dumbartοn Οaks Collection I (1962) 96 Taf. 58, 116.